Bundestrainer Hansi Flick (l) und Kai Havertz. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Tom Weller/dpa)

Große Ziele, große Schwierigkeiten: Hansi Flick muss gleich zum Start ins WM-Jahr umplanen. Die Verletzung von Niklas Süle zwingt den Bundestrainer vor seiner ersten Kader-Nominierung am Freitag zu neuen Abwehrüberlegungen.

Durch den Muskelfaserriss des Bayern-Verteidigers fehlt Flick nach Jonas Hofmann von Borussia Mönchengladbach und Robin Gosens von Inter Mailand schon die dritte auch für die Fußball-WM in Katar fest eingeplante Defensivkraft.

Süles Ausfall vor März-Länderspielen

Süles kurzfristiger Ausfall für den Jahresstart der DFB-Auswahl mit den Testspielen gegen Israel am 26. März in Sinsheim und drei Tage später gegen die Niederlande in Amsterdam verdeutlichen die stete Gefahr in den kommenden acht Monaten bis zum WM-Anpfiff am 21. November. Als erfahrener Trainer weiß Flick nämlich, wie fragil Planungen für ein Turnier sind.

Größte Gefahrenherde sind Formkrisen und eben noch mehr Verletzungen. Das vergangene Wochenende lieferte schon vor dem Süle-Aus den Beweis mit der schweren Kreuzbandverletzung von Leverkusens Supertalent Florian Wirtz (18). Auch Flick war «spontan erstmal geschockt».

Flick sichtete vor seiner Kader-Bekanntgabe bis zum letzten Moment. Am Mittwochabend war er in Mainz, um beim Bundesliga-Nachholspiel des FSV gegen Borussia Dortmund (0:1) Kandidaten zu begutachten. Am Freitag werden von Flick bei der Bekanntgabe seines ersten Kaders im WM-Jahr erste Fingerzeige für das große Titelziel erwartet.

Flick: «Jeder will Weltmeister werden»

Flick brennt darauf, nach über vier Monaten Winterpause seit dem 4:1 in Armenien endlich wieder vom Homeoffice auf den Trainingsplatz wechseln zu können. «Es ist schön, wie alle mitziehen. Jeder will dabei sein in Katar, jeder will Weltmeister werden», sagte Flick jüngst in der ARD. Erstaunlich forsch rief der 57-Jährige da den WM-Titel als «unser Ziel» aus. «Da stapeln wir nicht tief», sagte Flick selbstbewusst. Auch DFB-Direktor Oliver Bierhoff sieht «das vorhandene Potenzial» dafür. Als offizielle Turnier-Vorgabe an Flick gab dessen Vorgesetzter Bierhoff mindestens das Halbfinale aus.

31 Spieler hat Flick in seinen ersten sieben Länderspielen, die er alle gewinnen konnte, eingesetzt. Immer zum Einsatz kamen dabei Thilo Kehrer (Paris Saint-Germain), der nach dem Süle-Ausfall noch wichtiger wird, sowie Gladbachs Hofmann, der ebenfalls wegen seiner Muskelverletzung den Start verpasst. Erfolgreichste Torschützen bei Flicks Rekordstart als Bundestrainer waren Chelsea-Profi Timo Werner (5 Treffer) sowie das Bayern-Duo Serge Gnabry und Leroy Sané (je 4).

Größtenteils scheinen die 23 WM-Plätze vergeben, auch wenn Flick die Tür offen lässt. «Es ist schon so, dass wir viele Spieler anschauen und im Visier haben. Auch unsere U21 hat den einen oder anderen talentierten Spieler im Kader», sagte er. Der Mainzer Angreifer Jonathan Burkardt fällt einem bei der U21-Auswahl spontan ein, bleibt aber für deren EM-Qualifikation erstmal bei den Junioren.

Schlotterbeck spielt sich in den Fokus

Außen vor bleibt unter Löw-Nachfolger Flick Abwehr-Veteran Mats Hummels (33), der wohl beim EM-Aus gegen England sein 76. und letztes Länderspiel bestritten haben dürfte. Daran sollte auch die Süle-Blessur nichts ändern. Antonio Rüdiger und Matthias Ginter sind gesetzte Innenverteidiger. Und es gibt jüngere Abwehrspieler, die in den WM-Fokus drängen, etwa Nico Schlotterbeck vom SC Freiburg.

Der 22-Jährige hat sich in dieser Saison mit guten Leistungen ins Visier von Borussia Dortmund und neuerdings sogar Bayern München gespielt. Flick hat Schlotterbeck schon mehrfach zum DFB-Team eingeladen, aber noch nicht eingesetzt. Das könnte nun gegen Israel passieren. Erst am vergangenen Wochenende schoss der kraftstrotzende Innenverteidiger vor Flicks Augen Freiburgs Siegtor gegen Wolfsburg. Danach sagte er: «Ich hoffe, dass der Bundestrainer mich jetzt nominiert.» Auch für Schlotterbeck ist die WM das große Fernziel.

Schlüsselrolle für Havertz

In Flicks WM-Puzzle nimmt ein anderer 22-Jähriger derweil eine ganz große Rolle ein: Kai Havertz. In England beim FC Chelsea ist er zu einem Spieler gereift, der Endspiele entscheidet. Havertz schoss Chelsea 2021 im Champions-League-Finale zum Titel. Und er wiederholte das Kunststück im Februar im Endspiel der Club-WM.

«Man merkt einfach, dass er da ist, wenn es drauf ankommt», lobte Flick. Einen Spielentscheider braucht der Bundestrainer auch in Katar. «Genau so möchte ich Kai auch bei uns sehen.»

Nur dreimal kann Flick die Nationalmannschaft vor der direkten Vorbereitung auf die Winter-WM versammeln. Auf die anstehenden zwei Testspiele folgen noch sechs knackige Nations-League-Partien im Juni und September gegen Europameister Italien, EM-Finalist England und Ungarn. Für Flick sind diese Spiele wichtige «Gradmesser», die das DFB-Team «auf dem Weg zur WM ein Stück weiterbringen» sollen.

Von Klaus Bergmann und Arne Richter, dpa

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