Hertha-Coach Felix Magath baut sein Team auf. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Andreas Gora/dpa)

Im weißen Polo-Shirt und einer beigen Leinenhose stand Felix Magath entspannt und lässig am Trainingsplatz. Der berüchtigte Schleifer wird bei Hertha BSC in der großen Not zum Mr. Nice Guy.

Die Nervenspiele gegen seinen Herzensclub Hamburger SV in der Relegation vor Augen änderte der Berliner Rettungstrainer seine Knallhart-Strategie. Jetzt bloß die Ruhe bewahren. Und keine Worte mehr über die zuletzt noch vorgetragenen Zweifel und Schwächen beim Big-Krisen-Club.

Größter «Abschnitt meines Fußballer-Lebens»

Energisch redete Magath vor dem Training auf seine Spieler ein, lauter wurde es aber nicht. Schon vor dem Ende der Übungseinheit machte er sich auf den Weg nach Darmstadt zur Gegner-Beobachtung. Da hatte der 68-Jährige kein gutes Näschen. Der Sieg der Lilien gegen den SC Paderborn war nutzlos, denn der HSV gewann in Rostock. Mit der schon lange vorher getroffenen Prognose eines Relegations-Duells mit den Hamburgern lag Magath also richtig. Sein Assistent Mark Fotheringham wird ihm von seiner Spionage-Tour an die Ostsee berichten.

«Der HSV, das steht doch vollkommen außer Frage, ist der größte Abschnitt meines Fußballer-Lebens. Aber das spielt für diese beiden Begegnungen überhaupt keine Rolle», sagte Magath dem «Kicker» am Sonntag in Darmstadt: «Es geht nach wie vor nicht um mich oder meine Vergangenheit mit dem HSV. Es geht einzig und allein um Hertha BSC – um den Klassenerhalt.»

Drama von Dortmund

Seine nach dem Drama von Dortmund und dem späten Stuttgarter Tor-Schock am Boden zerstörten Spieler brauchen jedenfalls einen Crash-Kurs in moralischer Aufbauhilfe. Den bekommen sie nun ab Dienstag auch in einem Trainingslager im Olympia-Zentrum in Kienbaum, wie Manager Fredi Bobic ankündigte. Es geht nur um die Rettung, alles andere muss hinten anstehen. Auch über den großen Umbruch und die Zukunft von Magath werde nach der Relegation entschieden, sagte Bobic im Sport1-«Doppelpass».

Schon nach dem 1:2 beim BVB hatte Magath versucht, seine Spieler aufzurichten. «Unsere Mannschaft hat sich hier in Dortmund als Bundesligist präsentiert. Deshalb bin ich zuversichtlich. Gegen den Tabellendritten der Zweiten Liga haben wir berechtigte Aussichten, den Klassenverbleib zu schaffen», sagte Magath nach dem maximal schmerzhaften Last-Minute-Absturz auf Platz 16.

Der von Magath gepflegte Zweckpessimismus, mit dem er für genau diesen Ernstfall verbale Vorleistung betreiben wollte, muss sich jetzt auszahlen. Die Relegation war unausweichlich, jetzt müssen wir liefern, lautet Magaths Strategie. «Es ist nicht der Worst Case eingetreten. Wir haben es geschafft, von Platz 17 auf 16 vorzudringen. Deshalb haben wir unser Minimalziel erreicht und den direkten Abstieg vermeiden können», zog er eine Zwischenbilanz seiner zwei Monate in Berlin. Zehn Punkte aus acht Spielen sind ordentlich. 1,25 Punkte pro Spiel sind mehr als seine Vorgänger Pal Dardai (1,16) und Tayfun Korkut (0,69) vorweisen konnten.

Immer lief was schief

Nur in der Berliner Gefühlswelt nimmt das kaum jemand positiv wahr. Dreimal war Hertha BSC praktisch schon gerettet. Aber immer lief noch etwas schief. Die Serie gipfelte im Schock von Dortmund. Und wieder fehlten nur ein paar Minuten. Nach dem 1:1 in Bielefeld und dem 1:2 gegen Mainz wurde es extra dramatisch. Ishak Belfodil (18.) traf zur Führung, der Ausgleich durch Erling Haaland (68.) war zwar ärgerlich. Sogar das 1:2 durch Youssoufa Moukoko in der 84. Minute wäre noch zu verschmerzen gewesen. Doch dann kam der Stuttgarter 2:1-Siegtreffer gegen den 1. FC Köln in der zweiten Minute der Nachspielzeit.

«Die Jungs sind total fertig und sitzen abgearbeitet in der Kabine», sagte Geschäftsführer Fredi Bobic. «Der eine oder andere hat den Kopf hängen lassen», ergänzte Magath. Am Donnerstag steht das Heimspiel in der Relegation an. Vier Tage später fällt die Entscheidung in Hamburg. Ob Torwart Marcel Lotka dabei sein kann, ist offenbar fraglich. Der 20-Jährige musste sich am Sonntag nach seinem Pfosten-Crash in Dortmund wegen eines Nasenbeinbruchs und des Verdachts auf eine leichte Gehirnerschütterung untersuchen lassen.

Herthas Erinnerung an die bislang letzte Relegation sind traumatisch. Nach dem 1:2 im Hinspiel gegen Fortuna Düsseldorf vor zehn Jahren endete das von Krawall überschattete Rückspiel in der Nachspielzeit beim Stand von 2:2 mit einem Platzsturm von Düsseldorfer Fans. Schiedsrichter Wolfgang Stark erklärte das Spiel für beendet und wurde von wütenden Hertha-Spielern attackiert. Es kam zu Einsprüchen und Verhandlungen vor den DFB-Gerichten. Der Hertha-Abstieg blieb bestehen. So viel Drama könnte auch Felix Magath wohl nicht ertragen.

Von Arne Richter, dpa

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