Unions Timo Baumgartl (l) lief das erste Mal nach seiner Hodenkrebserkrankung von Beginn an auf. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Andreas Gora/dpa)

Trainer Urs Fischer reckte vor den euphorisierten Fans seinen Daumen nach oben, doch den größten Applaus bei der Ehrenrunde des überraschenden Bundesliga-Spitzenreiters erhielt Timo Baumgartl.

Der Innenverteidiger des 1. FC Union Berlin erlebte etwas mehr als vier Monate nach Bekanntwerden seiner Hodenkrebserkrankung eine ganz besondere Rückkehr. «Das ist genau das, was ich mir während der Chemo die ganze Zeit erträumt hatte», sagte Baumgartl nach dem 2:0 (0:0)-Heimsieg gegen den VfL Wolfsburg sichtlich bewegt, «das sind emotionale Momente für mich.» Und nicht nur für ihn.

«Das ist auch für alle, die ich auf der Onkologie-Station kennengelernt habe», sagte der 26-Jährige bei DAZN und berichtete: «Mir haben so viele geschrieben, dass sie stolz sind und dass es ihnen einen positiven Input gibt, dass ich jetzt schon wieder auf dem Platz bin. Für sie alle habe ich das auch gemacht.» Auf die Frage, ob ihm zur vollen Leistungsfähigkeit noch etwas fehle, antwortete Baumgartl scherzhaft mit einer Gegenfrage: «Außer meinem zweiten Hoden meinen Sie?»

Union mit fünf Punkten Vorsprung auf die Bayern

Baumgartls 62-minütige Rückkehr war aber nur eine freudige Nachricht für Union. Durch den hart erkämpften, am Ende aber verdienten Sieg verteidigten die Köpenicker ihre in der Vorwoche eroberte Tabellenführung erfolgreich. Das Team geht mit zwei Punkten Vorsprung auf Borussia Dortmund und sogar fünf Zählern auf Rekordmeister FC Bayern München in die Länderspielpause.

Die Leistung sei «beeindruckend» gewesen, meinte Fischer hinterher, «wir waren wieder gierig im Strafraum.» Das traf vor allem auf das neue Traumduo der Berliner zu: Zuerst bereitete Sheraldo Becker das Führungstor von Jordan Siebatcheu (54. Minute) vor, dann erzielte der 27-Jährige den Treffer zum 2:0 selbst. «Der Trainer hat gesagt: Gehe mehr ins Eins-gegen-eins, und das habe ich getan», sagte Becker.

Saisonübergreifend 14 Spiele ohne Niederlage

Die Eisernen sind nun in der Liga saisonübergreifend seit 14 Spielen ungeschlagen. Wie schon am vergangenen Wochenende gegen Köln fanden sie nach einer Europa-League-Niederlage am Donnerstag umgehend zurück in die Erfolgsspur. «Man merkt, dass wir Selbstvertrauen haben und uns so eine Niederlage wie im Europapokal nicht umhaut», sagte Baumgartl.

Die Wolfsburger erlitten dagegen nach dem ersten Ligasieg vor einer Woche gegen Frankfurt direkt wieder einen Rückschlag und rutschten auf einen Abstiegsplatz ab. «Wir haben viel zu brav gespielt», kritisierte VfL-Trainer Niko Kovac, «vorne waren wir zu harmlos.» Kapitän Maximilian Arnold hofft auf einen Stimmungsumschwung in den nächsten zwei Wochen: «Es tut weh im Moment. Wir müssen uns jetzt in der Länderspielpause sammeln, und dann geht es weiter.»

Union-Fans spotten: «Ohne Kruse habt ihr keine Chance»

Max Kruse, erst im Winter unter viel Aufsehen von Berlin nach Wolfsburg gewechselt, wurde bei der Partie gegen seinen Ex-Club nicht im Stadion gesichtet. «Ohne Kruse habt ihr keine Chance», sangen die Union-Fans spöttisch.

Kovac, gebürtiger Berliner, hatte schon vor der Partie vor Unions Intensität gewarnt – und dennoch schienen seine Spieler davon zunächst überrascht. Schon nach 42 Sekunden prüfte Janik Haberer VfL-Keeper Koen Casteels mit einem Volley nach einem langen Ball. Kurz darauf schoss Becker nach einer Ecke von der Strafraumkante über das Tor (4.).

Auch danach behielten die Berliner die Kontrolle, die Offensivbemühungen auf beiden Seiten blieben aber zu ungenau. Die Wolfsburger waren harmlos, Josip Brekalos Versuch aus spitzem Winkel blieb in der ersten Halbzeit die beste Chance für die Wölfe (32.).

In der zweiten Halbzeit wurden die Berliner deutlich stärker und ihr Sturm-Duo schlug zu: Becker flankte vom linken Flügel, Siebatcheu platzierte seinen Kopfball perfekt ins Eck. Das dritte Ligator für den 26-Jährigen, Beckers dritte Vorlage. Becker sorgte dann nach einem schönen Pass über die Abwehrkette vom eingewechselten Paul Seguin für die Entscheidung.

Von David Langenbein und Lena Lachnit, dpa

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