Manuel Neuer prägte das Torwart-Spiel als mitspielender Keeper. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Tom Weller/dpa)

Die Torhüter werden mehr und mehr zu Feldspielern, Flügelspieler werden immer wichtiger – und in der Nachspielzeit fallen trotz der Ausweitung deutlich weniger Tore: Das sind drei der markantesten Ergebnisse, die die Technische Studiengruppe des Weltverbandes FIFA nach der Vorrunden-Analyse der WM in Katar vorstellte.

TSG-Chef Arsene Wenger und der frühere Weltmeister und Bundestrainer Jürgen Klinsmann als «Kapitän» des siebenköpfigen Fachgremiums präsentierten die wichtigsten Erkenntnisse:

Weniger Torschüsse

Die Zahl der Torschüsse pro Partie ist markant nach unten gegangen. 2010 in Südafrika lag sie noch bei 14,1. Über 12,9 und 12,0 bei den folgenden Turnieren ist sie nun bei 10,9 angekommen. «Offenbar wird das Zentrum besser geschützt», stellte Wenger fest. Kurios: Obwohl ausgeschieden hatte Deutschland mit 67 Torschüssen die meisten vor Brasilien und Frankreich (beide 52). «Einerseits waren sie nicht genau genug, andererseits gab es einen Mangel an einem echten Neuner», stellte Klinsmann fest. Fast ebenso kurios: Polen und Australien verbuchten mit 20 Torschüssen die wenigstens und kamen dennoch weiter. «Teams, die über Konter kamen, waren manchmal effektiver», sagte Wenger.

Weniger Tore in der Nachspielzeit

Damit hätte nun wirklich niemand gerechnet. Obwohl die Nachspielzeit markant ausgeweitet wurde – teilweise auf zehn Minuten und mehr – fielen deutlich weniger Treffer nach der 90. Minute. 2018 in Russland waren es noch 21, diesmal ganze 12. «Manche Spiele waren schon entschieden», sagte Wenger: «Und wir vermuten, dass durch die Erhöhung auf fünf Wechsel viele am Ende konzentrierter verteidigen konnten.»

Torhüter als Feldspieler

Bei der WM vor vier Jahren gab es in der Vorrunde 443 Rückpässe zu den Torhütern, nun hat sich die Zahl auf 726 fast verdoppelt. «Torhüter werden immer mehr zu Feldspielern», sagte Wenger. Klinsmann geht noch weiter: «Sie sind der erste Spielmacher, das Rückgrat der Mannschaft. Das ist wichtig für die Ausbildung der künftigen Torhüter.» Unter anderem deshalb ist auch der erwartete Anstieg an Pressing-Situationen ausgeblieben. Die Zahlen sind quasi konstant. «Das hängt sicher mit der Einbeziehung der Torhüter zusammen», sagte Wenger. Pressing-Meister waren die asiatischen Teams.

Es wird mehr gelaufen

Die Spiele werden immer laufintensiver. Die US-Spieler liefen in der Vorrunde rund 123 Kilometer pro Spiel. «Da waren vier oder fünf Spieler mit 12,5 bis 13 Kilometern pro Partie dabei», stellte Wenger fest. Ecuador ist mit 105 Kilometern Letzter, Deutschland mit 117 Kilometer Vierter unter den 32 Teilnehmern. Argentinien und Brasilien stehen weit hinten. Doch in der Tabelle der Ballrückeroberungen sind sie ganz vorne. «Dadurch mussten sie weniger laufen», erklärte Wenger.

Eingesetzte Spieler

Erstmals durften die Nationaltrainer 26 statt wie bisher 23 Spieler nominieren. Brasilien hat bereits 25 eingesetzt, Frankreich und Portugal 24. «Das sind aber die Teams, die nach zwei Spielen qualifiziert waren und für das dritte durchgewechselt haben», gab Klinsmann zu bedenken. Kroatien kam mit 16 Spielern aus, Deutschland liegt mit 20 im Mittelfeld. Es werden auch keine mehr dazukommen.

Mehr Flanken

Weil das Zentrum eben dicht ist, wurden 58 Prozent der Chancen über Außen vorbereitet. Die Zahl der über die Flügel eingeleiteten Treffer stieg um 83 Prozent. «Bessere Flügelstürmer werden immer wichtiger», sagte Wenger: «Und Außenverteidiger, die gute Flanken schlagen können, auch.» Wichtig sei aber auch, auf den Flügeln das Eins gegen Eins zu suchen, gab Klinsmann zu bedenken. Unter anderem deshalb sei Südamerika führend bei Angriffen über die Außen. «Das kommt wohl unter anderem von ihrer Liebe zum Straßenfußball», sagte er.

Anfängliche Zurückhaltung

Die Spiele kamen auffällig spät in Gang. «Die erste Halbzeit war oft etwas taktisch blockiert», sagte Wenger: «Die zweite Halbzeit war oft ein bisschen wilder.» Das hängt natürlich von frühen Toren ab, dennoch wolle man dies in der K.o.-Phase weiter beobachten.

Holger Schmidt, dpa

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