Sébastien Haller bei der Ankunft am BVB-Trainingsgelände. (Urheber/Quelle/Verbreiter: David Inderlied/dpa)

Auf dem zuletzt kahlen Kopf wachsen wieder erste Haare. Nach kräftezehrenden Monaten mit einer Chemotherapie und zwei Operationen beginnt für Sébastien Haller eine neue Zeitrechnung – sein zweites Leben als Fußball-Profi. 

Erstmals seit seiner Hodenkrebs-Diagnose im vergangenen Sommer kehrte der 28 Jahre alte Angreifer in den Kreis seiner Dortmunder Teamkollegen zurück. Einige Übungen der beim BVB zum Trainingsauftakt obligatorischen Leistungsdiagnostik absolvierte er mit einem Lächeln. Und auch bei seiner Videobotschaft an die Fans strahlte Haller Zuversicht aus: «Ich bin endlich zurück. Es war nicht einfach, aber dank eurer Unterstützung war es einfacher. Ich freue mich auf ein Wiedersehen – im Stadion für einige Siege.»

Langer Weg für Haller

Doch vor Haller liegt ein langer Weg zurück zur alten Form. «2022 war nicht das einfachste Jahr. Aber es hat mich darauf vorbereitet, all die neuen Herausforderungen anzunehmen, die mir 2023 bieten wird», kommentierte er via Twitter. Das mit seiner Rückkehr in den Trainingsbetrieb verbundene Rampenlicht ist ihm nicht ganz geheuer. Als der Nationalspieler der Elfenbeinküste als letzter Profi bei bereits einsetzender Dämmerung am Trainingsgelände im Dortmunder Stadtteil Brackel vorfuhr, würdigte er die vielen Fotografen keines Blickes.

Der Schock über die Diagnose am 18. Juli im Trainingslager von Bad Ragaz wirkt beim BVB bis heute nach. Alle Hoffnungen auf eine schnelle Genesung und Rückkehr auf den Platz erwiesen sich als Wunschdenken. Im November musste sich der für über 30 Millionen Euro von Ajax Amsterdam verpflichtete teure Dortmunder Rekordeinkauf, der als Ersatz für Torgarant Erling Haaland (Manchester City) gedacht war, einer zweiten Operation unterziehen. Auch diese neuerliche Belastung nahm Haller nicht den Mut. Das nötigt Sportdirektor Sebastian Kehl großen Respekt ab: «Sébastien hat wahnsinnig gekämpft und es am Ende selbst großartig gemeistert. Darauf kann er stolz sein.» 

WM-Besuch in Katar

Nur wenige Wochen nach der zweiten OP war bei Haller das Lächeln zurück. Auf Einladung von Gianni Infantino reiste der Familienvater zum WM-Halbfinale nach Katar und empfand an der Seite des FIFA-Bosses sichtliche Freude über einen ersten Schritt zurück in die Normalität.

Weitere Schritte sollen folgen. Gut möglich, dass Haller am kommenden Freitag mit in das rund einwöchige Trainingslager nach Marbella reist. An Vollgas-Einheiten im Kreis seiner Teamkollegen ist jedoch noch lange nicht zu denken. In Abstimmung mit den Ärzten soll das Aufbautraining behutsam erfolgen – ohne Druck der Vereinsspitze. «Er allein bestimmt das Tempo», sagte Kehl. Im Vordergrund steht zunächst der mentale Aspekt. Die Nähe zu seinen Teamkameraden soll für einen zusätzlichen Schub sorgen – sowohl bei Haller als auch bei der Mannschaft.

Geduld scheint das Gebot der Stunde. Gleichwohl sehnen alle Beteiligten das erste Spiel des Torjägers im schwarz-gelben Trikot herbei. Schließlich hat sich die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit in den vergangenen Wochen bedenklich vergrößert. Als Tabellensechster rangiert das vermeintliche Spitzenteam jenseits der Champions-League-Plätze. «Wir wollen und müssen eine bessere Rückrunde als Hinrunde spielen. Und dabei kann uns Sébastien sicherlich helfen», sagte Kehl der «Bild». 

Heinz Büse, dpa

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