DFB-Sportdirektor Rudi Völler (M.) setzte sich bewusst zwischen Bundestrainer Hansi Flick (l) und U21-Coach Antonio Di Salvo. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Arne Dedert/dpa)

Rudi Völler platzierte sich bei seinem großen DFB-Comeback wie selbstverständlich im Zentrum des Pressepodiums, flankiert von Bundestrainer Hansi Flick und U21-Coach Antonio Di Salvo.

Und es war auch der Sportdirektor, der 19 Jahre nach seinem Rücktritt als Teamchef der Nationalmannschaft die aktuelle Spieler-Generation um Kapitän Joshua Kimmich in Frankfurt mit viel Pathos auf die nächste Turnier-Mission in 15 Monaten einschwor.

«Es ist das Glück, diese beeindruckende Europameisterschaft hier zu haben. Das werde ich den Spielern klar vor Augen fahren, wie schön es ist, so ein großes Turnier im eigenen Land zu haben. Jedes Turnier ist enorm wichtig, aber eines im eigenen Land ist etwas Wunderbares», schwärmte Völler. Und dafür wird er von allen Höchstleistung einfordern.

Musiala fällt aus

Eine schlechte Nachricht platzte aber auch in den Start der Vorbereitung auf die Länderspiele gegen Peru am Samstag in Mainz und drei Tage darauf in Köln gegen Belgien: Bayern-Star Jamal Musiala musste wegen eines Muskelfaserrisses im linken Oberschenkel, den er sich am Sonntagabend beim Münchner 1:2 in Leverkusen zugezogen hatte, aus dem DFB-Quartier abreisen. «Wir alle haben gehofft, dass Jamal fit ist, weil er einzigartige Qualitäten hat», sagte Flick vor dem öffentlichen Training am Nachmittag. Der Bundestrainer verzichtete auf eine Nachnominierung.

Flick (58) und Völler (62) saßen am Sonntagabend gemeinsam in Leverkusen auf der Tribüne. Und auf der anschließenden Autofahrt nach Frankfurt hatten sie ebenfalls viel Zeit, die Lage zu erörtern. Die EURO haben sie zu ihrer gemeinsamen Mission erklärt. Nach der von Flick bedauerten Demission von DFB-Direktor Oliver Bierhoff ist nun dessen Nachfolger Völler der Schutzpatron und öffentliche Prellbock für den Bundestrainer. Völler will als eine Art Supervisor gemeinsam mit dem Trainerteam um Flick alles dafür tun, dass die Fans nach drei vermurksten Turnieren (WM 2018, EM 2021, WM 2022) in 15 Monaten ein neues Fußball-Sommermärchen erleben – auch wenn vorlaute Titelparolen bewusst vermieden werden.

«Wir haben fußballerische Qualität, am Rest wird gearbeitet», verkündete Völler. Und Flick sekundierte: «Die Weltmeisterschaft hat uns nicht gerade Rückenwind gegeben. Deswegen ist ein bisschen Demut angebracht. Erfolge kann man nicht garantieren, aber wir werden uns auf dieses Turnier sehr gut, sehr professionell vorbereiten.» Völler sprach als Beobachter der Katar-WM ein eklatantes Defizit an: «Argentinien ist auch Weltmeister geworden, weil bei ihnen die vier, fünf Prozent an Wille, an Mission, an Gier mehr da waren als bei vielen anderen, auch bei uns vielleicht. Da sind wir kein negatives Einzelbeispiel. Wir müssen als Einheit und mit viel Teamspirit auftreten und das mit der fußballerischen Qualität verbinden.»

Gemeinsamer Teamabend im Hotel

Völler formiert dafür verbandsintern den großen Schulterschluss. Sichtbar machte «Rudi nazionale» das mit der «mit Bedacht» gewählten gemeinsamen Auftakt-Pressekonferenz von A-Team und U21 auf dem DFB-Campus. Er nannte sie «symbolisch». Am Dienstag gibt es auch einen gemeinsamen Teamabend im Hotel. Flick füllt «die Verzahnung» mit Leben: Fünf der insgesamt sechs Neulinge in seinem Kader – Mergim Berisha, Kevin Schade, Felix Nmecha, Josha Vagnoman und Malick Thiaw – kommen aus der U21.

«Wer könnte das Potenzial haben, bei der EM 2024 dabei zu sein», lautete Flicks Vorgabe bei der Zusammenstellung seines ersten Aufgebotes 2023 ohne etliche arrivierte Nationalspieler wie Thomas Mülller, Ilkay Gündogan, Antonio Rüdiger, Niklas Süle, Leroy Sané, Jonas Hofmann oder des verletzten Julian Brandt. «Er hätte uns einen Mehrwert geben», bedauerte Flick den Ausfall des Dortmunders Brandt, erst recht nach dem Ausfall von Musiala.

Debüts geplant

Alle Kader-Neulinge sollen auch gleich ihr Länderspiel-Debüt erleben. «So ist der Plan», sagte Flick. Er weiß aber auch, dass die Ergebnisse beim Neubeginn tunlichst stimmen müssen. «Uns ist bewusst, dass wir Stabilität im Team und auf gewissen Positionen Spieler brauchen, die vorangehen.» Er dachte da ans Bayern-Duo Kimmich und Leon Goretzka, Marc-André ter Stegen im Tor oder auch Kai Havertz und den bei der WM überzeugenden Niclas Füllkrug.

Flick hat in der WM-Aufarbeitung auch erkannt, dass er ein Abwehrbollwerk formen muss. Trotzdem verzichtet er zum Start der EM-Vorbereitung auf Abwehrchef Rüdiger und auch Süle, zwei potenzielle Turnier-Stammkräfte. «Wenn ich nichts Neues gemacht hätte, hätte ich mal gerne die Berichte gelesen», rechtfertigte Flick seinen eigenwilligen Weg. Der Leistungsgedanke sei damit nicht aufgehoben. «Unsere Aufgabe ist es als Trainerteam, die Mannschaft in der Breite aufzustellen.» Von Völler erhält er volle Rückendeckung. Flick weiß das zu schätzen. «Keiner verkörpert den deutschen Fußball so wie Rudi, als Spieler, als Trainer, als Funktionär. Er ist heiß darauf, dass alles in die richtigen Bahnen geht.» Völler betonte umgekehrt: «Ich versuche, Hansi zu unterstützen – in jeglicher Hinsicht.»

Klaus Bergmann und Arne Richter, dpa

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