Dortmunds Youssoufa Moukoko (l-r), Jude Bellingham und Marco Reus verlassen nach dem 3:3 in Stuttgart das Spielfeld. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Tom Weller/dpa)

Edin Terzic klang, als hätte Borussia Dortmund das Rennen um die deutsche Meisterschaft schon verloren. «Wut» und «Enttäuschung» verspürte der Trainer des BVB nach dem turbulenten 3:3 (2:0) inklusive Gegentor in der siebten Minute der Nachspielzeit beim abstiegsbedrohten VfB Stuttgart.

«Unnötig» und «dumm» nannte er den neuerlichen Rückschlag im Titelkampf der Fußball-Bundesliga. Mitunter hörte sich der 40-Jährige an, als sei er den Tränen nahe. Dann gab er sich doch noch mal einen Ruck.

«Es ist noch so viel, worum es sich lohnt zu kämpfen», betonte Terzic mit Blick auf die Tabelle. In der liegen die Dortmunder als Zweiter weiter zwei Punkte hinter Spitzenreiter FC Bayern München. Nichts, was man an den verbleibenden sechs Spieltagen nicht mehr aufholen könnte. Den späten Schock von Stuttgart muss der BVB aber erst mal verarbeiten. Wieder mal ließ er die Titelreife vermissen, wieder mal droht er am Ende leer auszugehen.

Terzic fühlt sich in Stuttgart an Bremen erinnert

Seine Mannschaft müsse «endlich anfangen, aus diesen unnötigen Rückschlägen zu lernen und es nicht wiederkehren zu lassen», forderte Terzic für den Saisonendspurt. Der Coach stellt sich mittlerweile nicht mehr so schützend vor seine Spieler, wie er es lange getan hat. Am Samstag fühlte er sich an die denkwürdige Partie gegen Werder Bremen im August erinnert, in der sein Team bis zur 89. Minute 2:0 geführt und dann noch 2:3 verloren hatte. 

«Da dachte man, jetzt hat man alles gesehen im Fußball. Schlimmer kann’s nicht werden – und dann kommt heute», sagte Terzic. Statt nach Punkten mit den Bayern gleichzuziehen, warfen die Borussen gegen zehn tapfer kämpfende Stuttgarter eine große Chance weg. Wie so oft seit dem achten und bislang letzten Meistertitel 2012. Was sie in der zweiten Halbzeit erlebten, erschütterte sowohl Terzic als auch Sportdirektor Sebastian Kehl bis ins Mark.

«Es gibt Gründe, warum wir es nicht geschafft haben in den letzten zehn Jahren, ganz oben zu stehen», sagte Terzic. «Es gibt Gründe, wieso ich in den letzten Wochen häufiger dafür kritisiert wurde, dass wir sehr demütig mit dieser Situation umgehen, in der wir sind.» Schon zur Pause, als sein Team in Stuttgart 2:0 führte und wegen der Gelb-Roten Karte gegen VfB-Verteidiger Konstantinos Mavropanos (39.) in Überzahl war, habe er darauf hingewiesen, dass der Gegner nur noch eine Chance habe, noch mal ins Spiel zurückzukommen: «Dann, wenn wir die Disziplin verlieren.» 

Und die Dortmunder verloren die Disziplin – bei eigenem Ballbesitz, bei Ballverlust und in der Defensivarbeit. Sie hatten noch zwei Lattenschüsse, in vielen Zweikämpfen aber nicht mehr den nötigen Biss. «Das darf nicht passieren», betonte Mittelfeldspieler Salih Özcan und sprach von einer gefühlten Niederlage.

Silas sorgt in der Nachspielzeit für BVB-Frust

Nach Toren von Sébastien Haller (26.) und Donyell Malen (33.) kassierte der BVB durch Tanguy Coulibaly (78.) und Josha Vagnoman (84.) noch den Ausgleich. Selbst nachdem Joker Giovanni Reyna (90.+3) noch mal für die erneute Führung gesorgt hatte, reichte es nicht zum Sieg. Der vermeintlichen Erlösung folgte mitten hinein in die Meistergesänge der BVB-Fans der Tiefschlag durch das 3:3 von Stuttgarts Silas (90.+7). «Frust» und eine «gewisse Aggressivität» fühlte Sportchef Kehl. Man habe sich «vieles kaputt gemacht.»

Die seit Wochen unruhigen Bayern patzten beim 1:1 im Parallelspiel gegen die TSG 1899 Hoffenheim erneut – doch der BVB konnte es nicht nutzen. «Wenn wir die Spiele nicht gewinnen, können wir es auch vergessen, nach oben zu schauen, wie die Bayern spielen», hielt Özcan fest. Trotz ihrer fulminanten Aufholjagd mit acht Siegen in den ersten acht Liga-Partien des Jahres drohen die Dortmunder letztlich wieder ohne Titel dazustehen. Vor allem Terzic litt beim Gedanken daran, um welchen Lohn sich der BVB womöglich wieder bringt.

Er verwies auf die Erkrankung von Haller und andere Personalsorgen in der Hinrunde, das Abrutschen auf Platz sechs vor der Winterpause. «Mit ganz viel Fleiß und ganz viel Wut» sei man in die Vorbereitung im Januar gestartet, erklärte der Trainer. «Dann haben wir uns in die Ausgangssituation gebracht, in der wir gerade stecken – und dann schenken wir es heute einfach so ab.» Dortmund steht unter Schock. Erst platzte in Leipzig der Titel-Traum im Pokal, jetzt droht das nächste Trauma in der Liga.

Christoph Lother, dpa

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