Monstergrätsche, Torvorlage: Kimmich ist schon im WM-Modus
Kimmichs Energie überträgt sich auf die Mannschaft. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Robert Michael/dpa)

Die übliche Glückwunsch-Nachricht per Handy an Torschütze Nick Woltemade konnte sich Joshua Kimmich sparen. Der Kapitän erledigte das auf dem kurzen Dienstweg. Erst Vorbereiter, dann Gratulant – insgesamt der Antreiber, der Anführer, der Kapitän, den die deutsche Fußball-Nationalmannschaft an diesem denkwürdigen Abend gebraucht hatte. 

«Ich habe es den Jungs auch gesagt, die WM ist das Größte, was es gibt für einen Spieler in seiner Karriere, für sein Land eine Weltmeisterschaft spielen zu dürfen», sagte Kimmich nach dem triumphalen 6:0 gegen die Slowakei in Leipzig im letzten und entscheidenden WM-Qualifikationsspiel. «In Deutschland ist man es nicht gewohnt, dass das auf der Kippe steht.» Diesmal war es so. 

Die Sache mit den Glückwunsch-Nachrichten

Rein faktisch leitete Rückkehrer Kimmich den 6:0-Sieg gegen ein, als er eine klasse Flanke auf den Kopf von Woltemade schlug. «Ich habe schon gemerkt, als er ihn losgelassen hat, dass er sehr gut für mich kommt», betonte der 1:0-Torschütze. Und der 23 Jahre Mittelstürmer erzählte dann noch eine bemerkenswerte Anekdote in Sachen Mitarbeiter-Führung und Menschlichkeit.

Er sei ja noch nicht so lange dabei, betonte Woltemade nach seinem erst achten Länderspiel. «Aber ich kriege zum Beispiel nach jedem Spiel, wenn ich für Newcastle ein Tor schieße, eine Nachricht von ihm. Das ist so ein kleines Beispiel.» 

Eine Frage des Schmerzes

Ein kleines Beispiel, wie ein Kapitän eine Mannschaft auf dem Platz mitreißen kann, hatte Kimmich noch vor der Torvorlage geliefert, als er an der Seitenlinie eine spektakuläre Grätsche hinlegte – Ballgewinn inklusive. «Ich glaube, dass jeder heut ein Zeichen setzen wollte», sagte der Bayern-Profi.

Auch deswegen ließ sich Kimmich erst gar nicht davon abhalten, überhaupt zu spielen. Beim 2:0 in Luxemburg hatte er wegen einer Kapselverletzung noch aussetzen müssen. Ein Risiko habe es nicht gegeben, versicherte er in Leipzig: «Es ist eine Frage dann des Schmerzes, ob es geht oder nicht.» 

Kimmich biss auf die Zähne, bei seiner Auswechslung nach einer guten Stunde gab’s Applaus von den Rängen der Red Bull Arena und eine Umarmung vom Trainer. «Man könnte auch sich zurücklehnen und sagen: ‚Ich schaue, dass ich im Club wieder fit bin’», betonte Julian Nagelsmann: «Aber er gibt für den Club alles und für die Nationalmannschaft und ist zu Recht unser Kapitän.» 

Kimmich Vorrunden-Trauma: Nur sechs WM-Spiele bisher

Mit seinen 30 Jahren – im Februar wird Kimmich 31 – ist er auch eine Art Generationenverbinder. 106 Länderspiele hat Kimmich nun bestritten. Zweimal hat er es schon zu einer Weltmeisterschaft geschafft – in der Bilanz stehen aber nur sechs Turnierspiele. 

Das ist Kimmichs WM-Trauma. Vorrunden-Aus in Russland mit der DFB-Mannschaft, Vorrunden-Aus in Katar. Er hatte nach dem verpassten Achtelfinale vor drei Jahren vom schwierigsten Tag seiner Karriere gesprochen. 

Der Schmerz des Scheiterns und die Sehnsucht nach dem Erfolg treiben den «großen Kapitän der Mannschaft» («Mundo deportivo») nun weiter an. Der Schweizer «Blick» pries «das Monstertackling an der Seitenlinie» gegen die Slowaken. Und Torschütze Woltemade schwärmte: «Ich glaube, über Jo braucht man nichts sagen: Absoluter Leader, absoluter Führungsspieler, absoluter Qualitätsspieler.»

Von Jens Marx und Arne Richter, dpa

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