Das erste Bundesliga-Nordderby seit fast acht Jahren endete fast im Tumult. Weil einige Ersatzspieler des Hamburger SV das 3:2 (1:0) gegen Werder Bremen provokativ vor der Bank des ewigen Rivalen feierten, gingen die Profis beider Clubs auch nach dem Abpfiff noch einmal aufeinander los. Auch HSV-Trainer Merlin Polzin musste dabei helfen, diese Traube wieder aufzulösen.
Danach tanzten die Hamburger Profis im Kreis und die HSV-Fans unter den 56.100 Zuschauern im Volksparkstadion sangen: «Die Nummer eins im Norden sind wir!». Siegtorschütze Yussuf Poulsen wollte das einfach nur genießen. «Darf ich jetzt feiern?», fragte der Stürmer des Hamburger SV die DAZN-Reporterin im ersten Interview nach dem Sieg im Derby-Spektakel gegen Bremen.
Erst Langeweile, dann Spannung
Die Stimmung sei «brutal», meinte Poulsen, «das sind genau solche Spiele, die liebt man als Fußballer». Sein Mitspieler Bakery Jatta sprach von einem «geilen Moment». Bremens Trainer Horst Steffen monierte: «Am Ende sind wir zu unaufmerksam und kassieren zu einfach Tore.»
Das zunächst langweilige Nordderby wurde zum Ende hin hitzig und hochspannend. Albert Sambi Lonkonga (63. Minute) hatte die Bremer Halbzeitführung durch Jens Stage (45.) zunächst ausgeglichen. Ein Hacken-Tor von Luka Vuskovic brachte den HSV erstmals in Führung (75.). Der gebürtige Hamburger und frühere HSV-Fan Justin Njinmah traf für Werder umgehend zum 2:2 (78.). Nur zwei Minuten nach seiner Einwechslung gelang Poulsen doch noch der Siegtreffer. Der Däne war in dieser Saison immer wieder verletzt ausgefallen. Jetzt wurde er mit einem Ballkontakt zum Derbyhelden.
Besonderes Spiel für Jatta
Das vorerst letzte Erstliga-Duell der beiden Clubs hatte im Februar 2018 vor dem Abstieg des HSV stattgefunden. Nur ein Spieler war sowohl an diesem Sonntag als auch schon vor 2843 Tagen dabei: Der Hamburger Fan-Liebling Jatta, der vier Tage nach seinem Tor im DFB-Pokal gegen Holstein Kiel auch zum ersten Mal in dieser Saison in der Startelf stand.
Für ein Derby, zu dessen Geschichte auch schon Kung-Fu-Tritte auf dem Rasen und direkte Duelle in einem Europapokal-Halbfinale gehörten, passierte diesmal aber lange Zeit nicht allzu viel. Von Werder war bis zu dem Führungstor kurz vor der Pause sogar überhaupt nichts zu sehen.
Lokonga gefällt schon vor seinem Tor
Der HSV war bis dahin die deutlich engagiertere Mannschaft, blieb dabei aber viel zu harmlos. Als Rayan Philippe in der 23. Minute frei vor dem Tor zum Kopfball kam, traf er den Ball nicht richtig. Als Fabio Vieira kurz vor dem 0:1 zum Fallrückzieher ansetzte (41.), flog der Ball weit über das Tor.
Einzig der Belgier Lokonga, eine Leihgabe des englischen Spitzenclubs FC Arsenal, verkörperte so etwas wie die individuelle Klasse früherer Derbytage. Und das schon lange vor seinem Tor zum 1:1.
Beim Bremer 1:0 nutzten die Gäste aber erstmal einen Ballverlust des HSV-Verteidigers Nicolas Capaldo. 5700 mitgereiste Werder-Fans gerieten in Ekstase.
Nach eigenen Angaben lagen den Bremern sogar 45.000 Ticketanfragen für den Gästeblock vor. Die Anhänger, die ein Ticket erhielten, liefen in einem großen grün-weißen Fanmarsch bis zum Stadion. Die Polizei trennte die beiden Fanlager mit einem Großaufgebot voneinander. So blieb es bis auf ein gewaltiges Feuerwerk in der Halbzeitpause zumindest im Stadion weitgehend ruhig.
Werder vergibt Chancen vor dem Ausgleich
Nach dem Wechsel verpasste es Werder, einen zweiten Treffer nachzulegen. Einen Distanzschuss von Sanne Lynen parierte HSV-Torwart Daniel Heuer Fernandes (58.). Nach dem folgenden Eckball köpfte Cameron Puertas am Tor vorbei (59.).
Nach genau dieser Doppelchance korrigierte HSV-Trainer Merlin Polzin seine etwas überraschende Derby-Aufstellung. Ransford-Yeboah Königsdörffer durfte jetzt anstelle von Philippe wieder Mittelstürmer spielen. Miro Muheim ersetzte Aboubaka Soumahoro hinten links. Von da an nahm dieses Derby noch eine rasante Fahrt auf.
Mit großem Einsatz verdiente sich der HSV diesen Erfolg. Die Hamburger investierten auch in der letzten halben Stunde deutlich mehr in dieses Spiel und steckten auch den 2:2-Ausgleich gut weg. Am Ende zahlten sich Polzins Wechsel gleich doppelt aus: Der eingewechselte Muheim bereitete den Siegtreffer des eingewechselten Poulsen vor.

