Rekordtor im XXL-Spiel: Der Kölner Wahnsinn in Wolfsburg
Kölns Jakub Kaminski (r) schoss beim 3:3 in Wolfsburg das späteste Tor der Bundesliga-Geschichte. (Urheber/Quelle/Verbreiter: dpa)

Jakub Kaminski hat sehr schnell gemerkt, wo er da in diesem Sommer hingeraten ist. «Die Leute hier sind alle verrückt», sagte der Neuzugang des 1. FC Köln. Beim turbulenten 3:3 (1:1) in Wolfsburg schaffte es der Aufsteiger sogar, allerlei Verrücktheiten in nur einen überlangen Nachmittag zu pressen.

Enttäuschung in der neunten Minute der Nachspielzeit, Ekstase in der 14., dazu das späteste Tor der Bundesliga-Geschichte: Das alles gab es zu sehen in einem Spiel mit drei längeren Unterbrechungen und einer 14-minütigen Extrazeit, in der am Ende natürlich nicht irgendwer den Bundesliga-Rekord zum 3:3-Ausgleich (90.+14) aufstellte: Es war der Kölner Kaminski, der eigentlich dem Gegner VfL Wolfsburg gehört und vor dieser Saison erst einmal nur für ein Jahr ausgeliehen wurde.

«Wenn du was Langweiliges erleben willst, dann wirst du Verwaltungsbeamter. Das kann ich sagen, weil ich’s gelernt habe», sagte Kölns Trainer Lukas Kwasniok hinterher im ZDF. Als Fußballtrainer dagegen könne es «schonmal hektisch und wild werden».

Zweimal zwei Tore in der Nachspielzeit

Das Emotionale, Überbordende, Laute und etwas Verrückte hat dem 1. FC Köln häufig genug im Weg gestanden in seiner wechselhaften Geschichte. Im Moment aber trägt es den Club durch diesen Aufstiegssommer.

90.+1 Minute: 2:2 durch Isak Johannesson. 90.+9 Minute: 2:3 durch Maximilian Arnold. 90.+14: 3:3 durch Kaminski. Zum zweiten Mal im erst vierten Pflichtspiel dieser Saison schoss der FC gleich zwei entscheidende Tore in der Nachspielzeit.

«Auf dem Platz gibt es kein Pardon»

«Die Mannschaft hat verstanden: Sie bekommt ganz viele Freiheiten außerhalb des Platzes. Aber auf dem Platz gibt es kein Pardon. Unabhängig von irgendwelchen Hindernissen oder Spielständen. Ob das Spiel groß ist oder klein», sagte Kwasniok. «Deshalb sitzt vor Ihnen ein relativ glücklicher Coach.»

Bei der Frage, warum die Kölner nach drei Spieltagen noch ungeschlagen sind und in dieser Zeit auch sechs Punkte mehr holten als der Mitaufsteiger Hamburger SV, landet man sehr schnell bei Kwasniok. Das Temperament und die Emotionalität des 44-Jährigen passen in dieses Umfeld. Gleichzeit ist er fachlich so überzeugend, dass er diese Aufgeregtheit sehr gut kanalisiert.

Die «Waffe» Said El Mala

Eine Geschichte dieses verrückten Spiels ist auch, dass der Gegner den dänischen Topspieler Christian Eriksen nach Stationen bei Ajax Amsterdam, Inter Mailand und Manchester United am Mittwoch in Wolfsburg präsentierte und ihn dann am Samstag die vollen 105 Minuten auf der Bank ließ. Die Kölner dagegen holten im Sommer unter anderem die Brüder Said (18) und Malek (20) El Mala vom Nachbarclub Viktoria Köln zurück.

Wegen seiner Schnelligkeit und Dribbelstärke warf Kwasniok den jüngeren von beiden schon beim Stand von 1:1 in dieses Spiel. Und das wurde spätestens belohnt, als Said El Mala bei seiner Vorarbeit zum 2:2 fünf Wolfsburger stehen ließ.

«Er ist eine Waffe», sagte der Trainer über sein Toptalent. Und dessen Situation erklärte er später so, dass er damit auch den ungeduldigsten FC-Fan mitnahm: «In der Bundesliga von Beginn an eine Waffe zu sein, ist noch ein weiter Weg», meinte Kwasniok. «Deswegen müssen wir aufpassen, dass wir aus einer Waffe keine Platzpatrone machen, wenn er zu früh 90 Minuten performen muss.»

So läuft das im Moment in Köln: Die Energie von den Rängen und von der Trainerbank reißt alle mit. Der Stürmer Luca Waldschmidt war neben Kaminski der zweite Spieler, der in der Volkswagen Arena gegen seinen Ex-Club traf (5.). Beiden war es in Wolfsburg ein bisschen zu steril und beide blühen in dem Kölner Trubel nun auf. «Der eine Spieler sagt: Lass mich in Ruhe, das ist mir zu viel. Der andere findet’s geil», sagte Waldschmidt hinterher. «Ich mag diese Energie von draußen.»

Sebastian Stiekel, dpa

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