Debatte um Irvine: «Nichts, womit man zu tun haben möchte»
Die Debatte um Kapitän Jackson Irvine bewegt den FC St. Pauli. (Archivbild) (Urheber/Quelle/Verbreiter: Marcus Brandt/dpa)

In der Welt des Datings hätten Jackson Irvine und der FC St. Pauli lange Zeit als perfektes Paar gegolten. Der etwas andere Fußball-Profi mit der Vorliebe für Mode und Kunst, den linken Ansichten, mit Wohnort Hamburger Kiez. Und der etwas andere Bundesliga-Verein, für den die Welt weit über das Spielfeld, Punkte, Tore und 90 Minuten geht.

«Ich will das nicht überhöhen, aber ja, dass etwas im Fußball so gut zusammenpasst, dürfte es wohl nicht oft geben. Der Club und ich teilen dieselben Werte», sagte Irvine im November 2024 in einem Interview der «Süddeutschen Zeitung».

Erste Risse 

Doch zuletzt gab es in dieser lange perfekten Beziehung erste Zerrüttungen. Der Mittelfeldspieler ist seit einer Fuß-Operation im April nicht mehr auf dem Spielfeld, er kämpft und arbeitet für sein Comeback. Und genau in dieser schwierigen Phase seiner Karriere sieht sich der australische Nationalmannschafts-Kapitän als Hauptperson in einer Debatte, die der 32-Jährige mitausgelöst hat und die den Verein zu spalten droht.

Im Sommer entstand ein Foto, auf dem er mit einem Trikot des «FC Palestine» zu sehen war. Eine klar pro-palästinensische Positionierung im Gaza-Krieg. Das T-Shirt zeigte eine Karte ohne die Landesgrenzen Israels. Die Aussage des Shirts: das Existenzrecht Israels wird nicht anerkannt. Die Debatte um Irvine gipfelte dann zuletzt im September in kritischen Kommentaren eines St.-Pauli-Aufsichtsrats in den sozialen Medien.

Irvine äußert sich erstmals selbst 

«So eine Nachricht zu bekommen, von einer Person, die in dieser Position ist, war natürlich tief verletzend», sagte Irvine nun am Wochenende in einem Interview des TV-Senders ABC aus seiner Heimat. «Wir hoffen natürlich, dass etwas dagegen getan wird.»

Es waren seine ersten öffentlichen Äußerungen zu den kritischen Kommentaren unter einem Instagram-Post, den Irvines Ehefrau Jemilla Pir veröffentlicht hatte. Später wurden diese Aussagen gelöscht.

Aktuell will sich der Verein nicht weiter zu dem Vorgang äußern. Vor dem Auswärtsspiel des FC St. Pauli bei Werder Bremen am 4. Oktober hatte Präsident Oke Göttlich im Sender Sky interne Gespräch angekündigt. 

Verein will sich vorerst nicht weiter äußern

«Wir halten es bei unserem Verein, einem eingetragenen Verein, immer sehr gut damit, dass wir die demokratischen Wege einhalten und nicht übereinander, sondern miteinander sprechen», hatte er gesagt. «Das haben wir in allen Fällen getan – mit Jacko bezüglich des T-Shirts, mit dem Aufsichtsrat bezüglich des Postings.»

Zugleich hatte Göttlich sich im Namen der Vereinsführung von dem Posting distanziert: «Wir sind ein eingetragener Verein und kein Instagram-Kanal.»

Die Fan-Gemeinde des Vereins reagiert auf Irvines Haltung gespalten – weil die politisch eher links ausgerichtete Anhängerschaft St. Paulis in der Frage des Gaza-Kriegs ohnehin gespalten ist.

Irvine möchte nichts klarstellen 

Auch im Verein selbst wird die Meinung seines Kapitäns zumindest als schwierig abgelehnt. Im Trainingslager im Sommer hatte Irvine die Gelegenheit bekommen, seine Haltung zu erklären und gleichzeitig auf das Existenzrecht Israels hinzuweisen. Das tat er aber nicht.

Der Club hat sich schon seit Jahren sehr klar gegen Rassismus, gegen Antisemitismus und für das Existenzrecht Israels ausgesprochen. Das drückt sich auch in der Fan-Freundschaft mit Hapoel Tel Aviv aus.

Irvine spielt seit 2021 für die Hamburger. Er war und ist noch für viele eine Identifikationsfigur, wie sie vor ihm vielleicht Torwart Volker Ippig aus den 1980er Jahren war. 

Irvines Sehnsucht, wieder zu spielen

Das Verhältnis mit seinem Club möchte Irvine gern wieder bereinigen. Zumindest lassen seine Aussagen im Interview mit dem australischen Sender den Eindruck zu. «Ich hoffe, dass das Ganze gelöst werden kann. Das ist nichts, womit man zu tun haben möchte, insbesondere dann nicht, wenn man gerade von einer Verletzung zurückkommt», sagte er.

Möglicherweise beruhigt sich die Debatte, sobald Irvine fit ist und wieder für den FC St. Pauli spielt. Doch letzteres ist kein Selbstläufer: In der bisherigen Saison haben James Sands und Joel Chima Fujita im Mittelfeld ihre Sache zu gut gemacht. Und Spielpraxis braucht er, um für Australien bei der WM 2026 dabei zu sein. «Es steht ein großes Jahr mit dem Club und der Nationalmannschaft bevor. Da will ich so viel wie möglich involviert sein.»

Claas Hennig und Sebastian Stiekel, dpa

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