Ohne Probleme setzte sich das DFB-Team in Stuttgart gegen Armenien durch. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Tom Weller/dpa)

Stuttgart (dpa) – Hansi Flick klatschte nach seinem ersten Fußballfest als Bundestrainer dankbar seine Spieler ab.

Die 18.086 Zuschauer in Stuttgart bejubelten beim Heimdebüt des 56-Jährigen ein halbes Dutzend wunderschöne Toren – und sangen «Oh, wie ist das schön!». Mit dem 6:0 (4:0) gegen Armenien stürmte das Nationalteam am Sonntagabend angeführt vom Doppeltorschützen Serge Gnabry in der WM-Qualifikation auf Platz eins der Gruppe J. Im Spitzenspiel gegen die große Spielräume anbietenden Armenier bekamen die zuletzt oft enttäuschten Fans eine erste Kostprobe des von Flick propagierten Offensivfußballs mit Pressing, schnellen Direktkombinationen sowie Toren aus der Feinkostabteilung.

«Natürlich war es heute ein guter Sieg. Klar, heute nehmen wir die Euphorie mit», sagte Gnabry bei RTL. «Wir haben uns viel vorgenommen. Wir sind früh in Führung gegangen, das hat uns in die Karten gespielt.» Es habe «Spaß» gemacht, vor den vielen Fans zu spielen. «Es ist immer ein gutes Gefühl, wenn man ein Tor schießt und der Mannschaft helfen kann», sagte der Bayern-Profi. Flick sprach von einer «enormen Qualität in der Mannschaft, das hat man heute gesehen». 

Gnabry eröffnet Torreigen

Der in Stuttgart geborene Gnabry eröffnete das Torfestival mit einem frühen Doppelpack (6./15. Minute). Die Offensivkollegen Marco Reus mit seinem Tor-Comeback im DFB-Trikot nach 27 Monaten (35.) und der von Flick wieder stark gemachte gebürtige Stuttgarter Timo Werner (44.) sorgten schon vor der Pause für klarste Verhältnisse. Der Gladbacher Jonas Hofmann (52.) und der Salzburger Neuling Karim Adeyemi (90.+1) mit ihren ersten Länderspieltoren legten zur Freude des Publikums noch nach.

Mit zwölf Punkten kann Flick nun beruhigt mit seinem aufblühenden Team zur dritten Quali-Partie am Mittwoch gegen Island nach Reykjavik reisen. «Klar, die Mannschaft kann froh sein über die Leistung – aber wir müssen schauen, dass wir uns dann wieder konzentrieren auf das Spiel auf Island», sagte Flick. «Mir hat es schon gut gefallen, es war der nächste Schritt, den wir gemacht haben.»

Kurz vor dem Anpfiff waren Kapitän Manuel Neuer und der verletzt fehlende Thomas Müller für jeweils 100 Länderspiele im Trikot der Nationalmannschaft geehrt worden. Die Bayern-Profis lächelten mit DFB-Mütze in die Kamera und wurden von den Zuschauern gefeiert – ehe es in Gedenken an den vor drei Wochen gestorbenen Rekordstürmer Gerd Müller für einen Moment ganz still wurde in der Arena. «Der Strafraum war Deine Heimat – Der ’74er Stern trägt Deinen Namen – Der Bomber der Nation – Unvergessen», stand auf einem Spruchband in der Fankurve.

Gnabry sorgte dafür, dass schon in der Anfangsphase ein aktueller DFB-Stürmer lautstark bejubelt wurde. Der Münchner schloss einen schnell gespielten Angriff über Werner und Leon Goretzka in die Tiefe des Strafraums entschlossen zu seinem 17. Länderspieltor ab – so hatte Flick sich das vorgestellt. «Ich hoffe, dass wir dazu beitragen können, dass die Stimmung im Stadion toll wird», hatte der Bundestrainer kurz vor der Partie gesagt. Das gelang bestens.

Große Spielfreude und Tempo

Mit großer Spielfreude und hohem Tempo beeindruckte die DFB-Auswahl insbesondere in der ersten Halbzeit. Allerdings auch begünstigt durch sichtlich überforderte Armenier, die sich wohl vorgenommen hatten, offensiv mitzuspielen. Die sich deshalb ergebenden Räume nutzte die Flick-Elf konsequent und gnadenlos. Eingeleitet von Leroy Sané, der sich auf der linken Seite gut durchsetzte, kam der Ball wieder durch einen Pass in die Tiefe auf Reus. Die Hereingabe des Dortmunders verpasste in der Mitte Werner, doch Gnabry war zur Stelle und erzielte seinen insgesamt 18. Treffer und sein bereits 15. Tor in einem DFB-Pflichtspiel.

Flick wirkte an der Seitenlinie sehr zufrieden mit dem nicht nachlassenden Offensivdrang seiner Elf. Ein Rechtsschuss von Sané landete an der Latte (22.), Werner verpasste zunächst das 3:0 nach einem Fehler der gegnerischen Abwehr um einen Schritt (28.). Dafür legte der Chelsea-Stürmer Reus‘ Treffer artistisch im Sprung auf. Reus ließ sich lächelnd feiern – der BVB-Kapitän bot nach äußert schlechten Erinnerungen an die Partie gegen Armenien im Juni 2014, als er eine schwere Verletzung erlitten und anschließend WM und Titelgewinn verpasst hatte, eine starke Leistung.

Die neu formierte DFB-Abwehr hatte kaum Mühe, den früheren BVB-Star Henrich Mchitarjan und den in der Pause ausgewechselten Hoffenheimer Sargis Adamjan in Schach zu halten. Der Schuss von Adamjan in der 32. Minute war für Neuer kein Problem. Thilo Kehrer und Jonas Hofmann auf den ungewohnten Positionen als Außenverteidiger konnten sich immer wieder in die Offensive einschalten, in der Fußball plötzlich wieder ganz einfach war. Joshua Kimmich durfte unbedrängt in Strafraumnähe auf den startenden Goretzka in die Tiefe spielen, der per Kopf perfekt auf Werner vor das Tor weiterleitete. 4:0.

Adeyemi feiert Debüt

Kurz nach dem Wiederanpfiff jubelte Hofmann unter lautem Applaus über sein erstes Länderspieltor – die DFB-Auswahl ließ weiterhin nicht nach. Der Gladbacher nahm nach einem zunächst abgewehrten Eckball den Ball direkt von der Strafraumgrenze und überwand Armeniens etwas behäbig reagierenden Torwart David Jurtschenko. Nach einer Stunde wechselte Flick dreifach: Die 18 Jahre alten Youngster Jamal Musiala und Florian Wirtz sowie Ilkay Gündogan kamen für Sané, Reus und Kimmich. Das Spiel war längst entschieden. Im weiteren Verlauf durften Adeyemi mit der Gerd-Müller-Rückennummer 13 und der Hoffenheimer David Raum ihre ersten Länderspielminuten sammeln. Adeyemi konnte nach Zuspiel von Wirtz sogar noch einmal jubeln.

Von Klaus Bergmann, Arne Richter und Jan Mies, dpa

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