Das Berliner Derby zwischen Union und Hertha BSC kann vor 22.012 Zuschauern stattfinden. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Matthias Koch/dpa)

Corona hin oder her. Hertha-Chef Fredi Bobic denkt jetzt schon an die typischen Frotzeleien der Fans am Tag danach. Union-Trainer Urs Fischer bekommt ohnehin nix und niemand aus seinem Fußball-Tunnel.

Und die Kapitäne Christopher Trimmel (Union-rot) und Niklas Stark (Hertha-blau) reden von «Spaß», «Bock» und einem «geilen Derby». Die Berliner Fußball-Fieberkurve steigt rasant, wie vor jedem Hauptstadt-Duell. Und doch ist vor der fünften Bundesliga-Auflage zwischen dem 1. FC Union und Hertha BSC am Samstag (18.30 Uhr/Sky) alles anders.

Die latente Angst vor Ansteckung

Corona ist schuld. Was sonst? 22.012 Zuschauer, immerhin geimpft oder genesen. Und mit Maske im Gesicht, möglichst auch am Sitz- und Stehplatz. Volles Haus im engen Stadion An der Alten Försterei. Ausgerechnet jetzt. Mit Erlaubnis des Berliner Senats. Zum ersten Mal in der Pandemie. Bei einer Inzidenz am Freitag von 346 in Berlin.

Nicht einmal die gravierende Fan-Rivalität und die Bedenken vor Krawallen wie beim letzten Aufeinandertreffen vor Zuschauern im November 2019 können das Top-Thema relativieren. Diesmal sind Leuchtraketen aus dem Fanblock eben nicht die größte Sorge, sondern die latente Angst vor vielen, vielen Ansteckungen trotz 2G-Regel und all der mahnenden Worte. Man setze neben den «vorgegebenen klaren Regeln zusätzlich auch auf die Eigenverantwortung der Stadionbesucher», hieß es von Union. Leichtgläubig oder gar fahrlässig sei das, hieß es in diesen Tagen in den Hauptstadt-Medien.

Problem: Die Infrastruktur in Köpenick

«Aber natürlich hat man im Hinterkopf, dass die Zahlen im Moment wieder rasant nach oben gehen», sprach Herthas Ersatzspielführer Stark vom Zwiespalt der Gefühle. Corona ist eben auch in beiden Mannschaften aktuell präsent. Bei Union fällt der infizierte Stürmer Kevin Behrens aus. Bei Hertha ist unklar, ob Offensivmann Stevan Jovetic nach einem positiven Test in der Vorwoche rechtzeitig einsatzbereit ist. Beide Teams hatten schon zahlreiche Fälle – Hertha sogar die Teamquarantäne im Abstiegskampf der Vorsaison.

22.012 ist keine große Zahl. In Dortmund, München und sogar bei der Hertha im chronisch nur halbvollen Olympiastadion waren in dieser Saison schon mehr Besucherinnen und Besucher. Das Problem ist die Infrastruktur in Köpenick. Dicht gedrängt werden die Menschen in Bussen und Bahnen anreisen. Das kleine Fußball-Stadion bietet nicht das Gefühl von Raum und Luft – im Gegenteil. Es wird brodeln am Samstag.

«Wir haben Vorgaben, und an die halten wir uns»

Dennoch halten beide Clubs die Entscheidung für richtig. Profit-Gier? Oder endlich wieder reine Fußball-Freude? Die Meinungen gehen in Berlin, wo auch kleine Schulkinder wieder Masken tragen müssen, weit auseinander. Bobic ist sich sicher, dass alle möglichen Vorkehrungen getroffen wurden. Endlich müsse man eine einheitliche Linie fahren. «Das war in den Gesprächen einhellige Meinung, dass man das so machen kann», berichtete Bobic aus den Verhandlungen mit dem Berliner Senat in dieser Woche. «Man kann diskutieren, ist es richtig, ist es nicht richtig. Wir haben Vorgaben, und an die halten wir uns.»

Lokalrivale Union war ohnehin in der ganzen Pandemie-Zeit ein Treiber für eine geordnete Zuschauerrückkehr. Das Derby ist nun ein großer Festtag. «Unser Ziel bleibt auch weiterhin die Durchführung von Sportveranstaltungen vor Publikum mit möglichst wirksamen Infektionsschutzmaßnahmen», sagte Geschäftsführer Oskar Kosche.

Dardai erwartet einen echten «Fight»

Die Trainer konzentrieren sich auf ihr Geschäft. Hertha-Coach Pal Dardai erwartet einen echten «Fight». Sein Kollege Fischer mahnt vor einem Hochgefühl der Eisernen, die seit mehr als einer Saison in der Bundesliga-Tabelle immer vor dem darbenden Lokalrivalen stehen. «Das wird eine ganz schwere Aufgabe und ein ganz enges Spiel, bei dem es am Ende über Kleinigkeiten gehen könnte», sagte der Schweizer.

Union ist aktuell Achter, Hertha mühte sich erst mal auf Platz 13. Doch Hertha ist nach den ungeschriebenen Regeln Stadtmeister, gewann in der Vorsaison das Heimspiel 3:1, im Rückspiel in der leeren Alten Försterei hieß es 1:1. Das ist in Berlin eine relevante Kategorie. «Ich finde immer den Begriff Stadtmeisterschaft schön. Das spornt ein bisschen an», sagte Trimmel. Corona hin oder her. Ohne Frotzeleien geht es eben auch vor einem Derby nicht. «In der ewigen Tabelle ist Hertha oben. Wir haben eine schöne Vergangenheit», sagte Dardai.

Von Arne Richter und Jens Marx, dpa

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