Herthas Cheftrainer Felix Magath (r) hat den Berliner Club noch nicht zum Klassenerhalt geführt. Die Entscheidung fällt erst am letzten Spieltag gegen Dortmund. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Soeren Stache/dpa/Archivbild)

Hertha BSC wird zum Big Zitter Club! Statt der erhofften Klassenerhaltsparty auf dem heimischen Sofa gab es für die Berliner keine 24 Stunden nach dem 1:2 gegen den 1. FSV Mainz 05 die nächste große Enttäuschung.

Der FC Bayern München leistete wie von Hertha-Trainer Felix Magath vorab befürchtet beim 2:2 gegen den VfB Stuttgart nicht die erhoffte Hilfe. Der Klassenverbleib muss am letzten Spieltag im schweren Auswärtsspiel bei Borussia Dortmund nun selbst geregelt werden. Noch beträgt der Vorsprung auf die Schwaben auf Platz 16 immerhin drei Punkte. Schon mit einem Unentschieden beim BVB wäre die Rettung auf den letzten Drücker geschafft.

In den Stunden vor dem Showdown in München tat Magath so, als sei am Vortag gegen Mainz überhaupt nichts passiert, die Rettung aus eigener Kraft nicht unnötig passiv verspielt worden. Im Sonnenschein stand der Trainer mit verschränkten Armen auf den Übungsplatz und beobachtete das von ihm nach einem gemeinsamen Frühstück als kleine Strafarbeit verordnete Treiben. Schnelle Hilfe vom FC Bayern München noch am Muttertag? Diese Optionen war Magath angeblich egal.

«Relegation» hatte er am Vorabend in jedes Mikrofon als für ihn längst reale Drohkulisse posaunt. Der Hertha-Retter verfolgte im Saisonendspurt schon länger eine spezielle Taktik. Regelmäßig redete er sein Team schlecht und klein. So wirkte es in der Realität ein bisschen besser und größer. «Als Profi, für den ich mich halte, bereite ich mich auf den schlechtesten Fall vor», sagte der 68-Jährige. Und der rückt plötzlich bedrohlich nah.

Pessimismus als Grundlage des Wandels

Der Zweckpessimismus passt in die Gesamtstimmung beim Big City Club. Sie kommt auch Geschäftsführer Fredi Bobic bestimmt nicht ungelegen, ist ein ordentlicher Grundpessimismus doch die Grundlage für einen radikalen Umbruch, an dem die Berliner unabhängig von jeder Klassenzugehörigkeit in der kommenden Saison nicht vorbeikommen werden. Gegen Mainz waren alle Komponenten im Stadion zu sehen:

Die Mannschaft hat sich zusammengerauft. Sie wird aber in allen Teilen neue Kräfte benötigen, um nicht wieder in Schieflage zu geraten. Auf Dauer können ein gealterter Kevin-Prince Boateng und ein Davie Selke unter Magath-Adrenalin den Laden nicht zusammenhalten.

Der Trainer hat in der Kürze viel geschafft. Doch Magath ist kaum die Dauerlösung. Bobic wird seinen Fehler aus dem Vorjahr nicht wiederholen wollen, als er aus falschem Kalkül am damaligen Retter Pal Dardai festhielt. Bobic dementiert, aber die Trainersuche läuft.

Die Fans sind nach der Versöhnungsgeste der Mannschaft gegen Mainz wieder besänftigt. Im Gegensatz zur Mannschaft war die Stimmung im Olympiastadion erstklassig. Ihren Einfluss haben gerade die Ultras erst einmal klar gemacht. Sie verstehen sich als Machtfaktor.

Was passiert in der Chefetage? Bei der Mitgliederversammlung am 29. Mai könnte der Konflikt zwischen Präsident Werner Gegenbauer und Investor Lars Windhorst eskalieren. Gerade halten sich beide an den vereinbarten Burgfrieden. «Wirherthaner.de» prangte als riesiges Plakat im Olympiastadion. Ex-Ultra und Unternehmer Kay Bernstein bringt sich mit diesem Slogan als Chef-Option in Stellung.

Entscheidung am letzten Spieltag gegen den BVB

Noch ist die Saison aber eben nicht vorbei. Einen Sieg in Dortmund traut Magath seinem Team, das ihn gegen Mainz offensichtlich ziemlich enttäuscht hatte, nicht mehr zu, wie er überraschend eingestand – oder war das auch nur Taktik?. «Ich habe keine Ahnung, wie sie Fußball beurteilen. Wir spielen gegen den Tabellenzweiten, wir sind Tabellen-15.», raunzte Magath einen Fragesteller an, der ihn auf diese sichere Option zum Klassenerhalt hinwies.

Magath griff also erst mal zu dem Stilmittel, das er beherrscht, er griff durch. Der für den selbst erkämpften Klassenerhalt angedachte freie Sonntag wurde gestrichen. Bei seinen Spielern kam er damit gut an. «Er weiß genau, welche Knöpfe er drücken muss», sagte Torschütze Selke. «Der Zusammenhalt. Auch wenn wir verlieren, sind wir eine Einheit», beschrieb Boateng den Berliner Stimmungswandel. Diese Einheit wird nun am Samstag in Dortmund gefordert sein.

Von Arne Richter, dpa

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