Rudi Völler hört nach der Saison als Leverkusens Geschäftsführer Sport auf. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Marius Becker/dpa/Archivbild)

Es war am Freitag, dem 14. Oktober 1983, als Rudi Völler und Michael Zorc das erste Mal aufeinandertrafen. Das Duell zwischen Völlers Bremern und Zorcs Dortmundern war eines von zwei Freitagabend-Spielen der Fußball-Bundesliga.

Im anderen trafen Kickers Offenbach und Bayer Uerdingen aufeinander, Meister Hamburger SV führte die Tabelle an. Die Spiele liefen nicht auf Sky und auch nicht auf DAZN, das Weserstadion war nicht ausverkauft. Und dass seine Nachfolger irgendwann einen Video-Assistenten haben würden, hätte Schiedsrichter Karl-Heinz Tritschler wahrscheinlich für einen Auszug aus einem Science-Fiction-Roman gehalten.

Kurzum, es war eine andere Zeit. Für den damals 23 Jahre alten Völler, der am Samstag nach 21 Jahren in Führungspositionen als Geschäftsführer von Bayer Leverkusen verabschiedet wird, wird der 2:1-Sieg ohne eigenes Tor ein normales Spiel gewesen sein. Der zwei Jahre jüngere Zorc, der am Wochenende nach je 17 Jahren als Spieler und Sportdirektor Borussia Dortmund verlässt, wird sich besser erinnern, er sah die Rote Karte. Es war eine von nur zwei in 463 Bundesliga-Spielen. Und auch sonst war Zorc von den beiden Bundesliga-Urgesteinen, die am Samstag zeitgleich Abschied von der Bundesliga-Bühne nehmen, sicher nicht der emotionalere.

Zorc erwirbt durch ruhige Art Respekt

Während Völler mit Wutreden und markanten Aussagen einerseits und Fannähe und Zwinkerauge andererseits Kultstatus erreichte – es gibt eben «nur ein‘ Rudi Völler» – überließ Zorc das Rampenlicht und die große Bühne meist ebenso Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke wie öffentlichkeitswirksame Verbal-Attacken. Doch mit seiner eher stillen und 24 Jahre währenden Arbeit als Manager und Sportdirektor erwarb er sich ähnlich großen Respekt wie in seiner Zeit als Profi.

Bei Völler fallen jedem Fußball-Fan auf Anhieb markante Geschichten ein: Die Spuckattacke von Frank Rijkaard bei der WM 1990 zum Beispiel oder der Wutausbruch bei TV-Moderator Waldemar Hartmann als DFB-Teamchef 2003. Doch auch Zorc hat bewegende Momente als Funktionsträger erlebt. Den Bombenanschlag auf den BVB-Bus im Jahr 2017. Oder die Beinahe-Insolvenz 2004/05, als die Intervention von Watzke ihn vor dem Aus bei seinem Herzensclub bewahrte.

Zorc nutzte seine zweite Chance: Das von ihm in finanzieller Not mitinitiierte Scouting-System zur Entdeckung hochbegabter Jungprofis polierte das angekratzte Image der Borussia mächtig auf – und spülte reichlich Geld in die leere Vereinskasse.

So feierte der gebürtige Dortmunder viele Erfolge mit dem BVB. Als Spieler wurde er zweimal deutscher Meister und einmal Pokalsieger, 1997 holte er sogar die Champions League und den Weltpokal. Als Sportdirektor stehen je drei Meisterschaften und Pokalsiege in der Bilanz. Und viele für die Bundesliga entdeckte Stars: Robert Lewandowski oder Erling Haaland sind nur beispielhaft.

Völler lernt von Calmund

Auch Leverkusen entdeckte und förderte in Völlers Amtszeit Stars wie zuletzt Kai Havertz oder Florian Wirtz. Doch einen Titel durfte der 62-Jährige unter dem Bayer-Kreuz nie bejubeln. Er konzentriere sich eben auf die wichtigen Titel, sagte Völler auf solche Dinge angesprochen, immer lächelnd. Immerhin wurde er als Spieler Weltmeister und Champions-League-Sieger.

Bei Bayer wurde er nach dem Karriere-Ende 1996 quasi der Azubi von Manager Reiner Calmund. Der damalige Vorstandschef der Bayer AG, Manfred Schneider, gratulierte Calmund zum «teuersten Lehrling Europas». Später sagte Calmund: «Die wunderbare Entwicklung der gesamten Infrastruktur hat Rudi in erster Linie mit zu verantworten. Das ist ein Lebenswerk!»

Ähnlich hochachtungsvoll sprechen sie in Dortmund von Zorc, der zudem nur einen Vereinswechsel in seiner Vita hat: Im Jahr 1978 wechselte er vom Dortmunder Vorortclub TuS Eving-Lindenhorst zum BVB. «Er hat sowohl als Spieler auf dem Rasen als auch als Verantwortlicher riesengroße Fußspuren hinterlassen wie kaum ein anderer», urteilte Vereinspräsident Reinhard Rauball. «Michael wird mit den ganz Großen von Borussia Dortmund in einem Atemzug genannt werden.»

Der Erfolg und die Beliebtheit über vier Jahrzehnte, das sind die Schnittmengen zwischen beiden. Und ein weiblicher Spitzname. Völler wurde von Thomas Berthold wegen seiner Locken «Tante Käthe» getauft, Zorc erhielt wegen seiner Locken von Kollege Rolf Rüssmann den Namen «Susi».

Von Holger Schmidt und Heinz Büse, dpa

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