Auf dem Trainingsplatz hat Bundestrainer Hansi Flick (l) alles im Blick und duldet keinen Schlendrian. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Daniel Löb/dpa)

Hansi Flick entgeht nichts – und er duldet keinen Schlendrian. Der Bundestrainer tauchte bei strahlendem Sonnenschein in Franken etwas später am Trainingsplatz auf, griff aber sofort in das Geschehen auf dem Rasen ein.

«Jamal! Was war denn das für ein Kopfball?», rief Ex-Profi Flick dem 19 Jahre alten Youngster zu. Musiala hatte beim Aufwärmen den von seinem Bayern-Kollegen Serge Gnabry zugeworfenen Ball recht schlampig zurückgeköpft. Den nächsten Kopfball führte Musiala akkurat aus.

Flicks Leitspruch lautet: «Wie man trainiert, so spielt man auch!» Und jetzt wird es höchste Zeit, dass gespielt wird. Nach zwei Wochen Vorbereitung und teilweise drei Wochen ohne Einsatz seit dem letzten Bundesliga-Spieltag brennen Deutschlands Topkicker auf den Anpfiff der Nations League mit der reizvollen Auftaktpartie am 4. Juni (20.45 Uhr/RTL) in Bologna gegen Fußball-Europameister Italien.

Müller: «Wir haben Bock»

Er verspüre «große Lust», verkündete stellvertretend Serge Gnabry zwei Tage vor dem Start in den UEFA-Wettbewerb: «Training ist immer gut. Die Hauptattraktion aber ist immer das Spiel.» Die Spiele gegen Italien, England, Ungarn und wieder Italien betrachtet Gnabry «wie ein kleines Turnier» vor der WM. Und als Ziel gab er den Gruppensieg aus: «Wir wollen in die Endrunde der Nations League kommen.»

Vom Bundestrainer werden erste Fingerzeige Richtung Katar-WM erwartet. Auch die Spieler sind gespannt. Wem erteilt Flick das Startelf-Mandat? Wie sieht seine Achse aus? Wer sitzt erstmal draußen? Mit viel Rotation in den vier Partien rechnet etwa Jonas Hofmann nicht. Entsprechend hofft der Gladbacher persönlich, dass er sich jetzt auch gegen Italien und England als rechter Verteidiger zeigen darf: «Die großen Aufgaben stehen hoffentlich unmittelbar bevor.» Routinier Thomas Müller animierte die deutschen Fußballfans jedenfalls zum Fernsehabend. «Wir haben Bock», versprach Müller.

Gnabry: «Prestigeduell» gegen Italien

Am Vortag konnten die Spieler im Quartier an einem laut Gnabry «sehr amüsanten» Trommelabend auf einer großen Leinwand auch das imposante 3:0 der Argentinier mit einem brillanten Lionel Messi gegen eine überforderte Squadra Azzurra verfolgen. Die «Finalissima» im Londoner Wembley-Stadion geriet für die Italiener nach der verpassten WM-Teilnahme zur nächsten sportlichen Demütigung. Südamerika-Champion Argentinien führte sie vor. Bayern-Profi Gnabry versicherte dennoch: «Wir unterschätzen den amtierenden Europameister nicht.»

Die DFB-Auswahl muss sich im Stadio Renato Dall’Ara von Bologna wohl eher auf recht gereizte Azzurri einstellen. Das Duell der viermaligen Weltmeister birgt viel «Geschichte und Tradition», wie Leon Goretzka erinnerte. Der Münchner sprach von «einem absoluten Prestigeduell».

Etliche DFB-Stars – und insbesondere der Bayern-Block – müssen nach drei Wochen Spielpause vor dem Urlaub noch mal richtig hochfahren. «Es ist eine schwierige Situation, Ende der Runde noch einmal vier Nations-League-Spiele zu spielen», weiß Flick. «Wir sind durch das Training wieder voll im Saft», beruhigte Gnabry. Flick hilft, dass es gegen Gegner mit klangvollen Namen geht. Auf Italien folgt schon am Dienstag England. Flick sorgt sich darum nicht um die Motivation. «Wir haben in den letzten Monaten eine gute Mentalität gezeigt.»

Nations League als «Standortbestimmung»

Der DFB-Kader trainierte in zwei Gruppen. Schwerpunkt war Standard-Training mit Spezialcoach Mads Buttgereit. Freistöße und Eckbälle genießen unter Flick einen besonderen Stellenwert. Spiele werden – gerade auch in der K.o.-Phase bei Turnieren – häufig durch Tore nach ruhenden Bällen entschieden. Buttgereit gibt den Input.

In den Trainingstagen von Marbella und Herzogenaurach kristallisierte sich zudem ein personelles Gerüst heraus. Vor Torwart Manuel Neuer besetzen die beiden Hünen Niklas Süle und Antonio Rüdiger – der vom FC Chelsea zu Real Madrid wechseln wird – das Abwehrzentrum. Im defensiven Mittelfeld ist Joshua Kimmich der Chef. Und vorne hat Flick auch ohne den Dortmunder Marco Reus (Infekt) viel Qualität und Auswahl um Routinier Müller sowie das Chelsea-Duo Kai Havertz und Timo Werner. Auch die Münchner Außenstürmer Gnabry und Leroy Sané wollen sich fünf Monate vor der WM unbedingt beweisen.

Flick wird die Einsatzzeiten in den vier Länderspielen nur bedingt verteilen. Es geht um Ergebnisse, den Aufbau von WM-Selbstvertrauen. Und ums Einspielen einer Formation. Müller ordnet die Nations League als «Standortbestimmung» ein: «Wir haben uns und der deutschen Fußballnation etwas zu beweisen. Das spüre ich auch im Team.»

Von Klaus Bergmann und Jan Mies, dpa

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