Bayern-Trainer Julian Nagelsmann auf dem Oktoberfest. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Sven Hoppe/dpa)

Julian Nagelsmann rang sich vor dem Festzelt mit einer Maß Bier in der Hand ein gequältes Lächeln ab. Das Prosit mit seinen in Tracht gekleideten Bayern-Stars hätte sich der Münchner Coach am Tag nach der ersten Saison-Niederlage am liebsten erspart.

Immerhin durfte sich der junge Trainer nach dem 0:1 beim FC Augsburg beim traditionellen Oktoberfestbesuch des FC Bayern über wohlwollende Worte seines Chefs freuen. «Wir beschäftigen uns jetzt nicht mit irgendwelchen anderen Trainern. Wir sind von Julian total überzeugt», sagte der Vorstandsvorsitzende Oliver Kahn auf dem Weg ins Bierzelt, wenige Meter von Nagelsmann entfernt.

Kahn kündigt intensive Analyse an

Frustrinken war in Käfers Wiesn-Schänke, wo die Profis mit ihren Partnerinnen und Familien gemütliche Stunden erlebten, trotz nun schon vier Ligaspielen ohne Sieg nicht angesagt. «Wenn wir nicht Tabellenführer sind, ist die Situation immer prekär», konstatierte Kahn mit ernster Miene. «Natürlich sind wir alle unzufrieden, übel gelaunt», gab der Bayern-Chef zu. Der 53-Jährige kündigte für die kommenden Tage eine intensive Analyse der sportlichen Situation an.

Das ließ auch Nagelsmann, der eigentlich «keine Lust» auf den Wiesn-Besuch hatte, anklingen. In der Länderspielpause wolle er viel nachdenken, sagte er. «Über alles denke ich nach. Über mich. Über die Situation. Über alles.» Der mit einem Vertrag bis 2026 ausgestattete Trainer will demonstrieren, dass er der richtige Mann für das vom Vorstand um Kahn übertragene Amt ist. In der Krise liegt für ihn die Chance, Format für eine große Karriere als Bayern-Trainer zu beweisen.

Schwächster Saisonstart seit zwölf Jahren

«Der Trainer gibt den Spielern genug Lösungen mit», sagte Kahn. Er nahm damit das Ensemble um den aktuell so glücklosen Sadio Mané in die Verantwortung: «Wir sind jederzeit fähig, wieder ganz nach vorn zu kommen, da wo wir hingehören, nämlich an die Tabellenspitze.»

Zwölf Punkte aus sieben Spielen lautet die magere Auftakt-Ausbeute der Münchner, die zuletzt vor zwölf Jahren so schwach starteten. Damals wurde Borussia Dortmund am Saisonende Meister. «Der Trend ist katastrophal, wenn man aus vier Spielen keines gewinnt», sagte Thomas Müller. Er war «fassungslos und bedröppelt».

Vier Liga-Spiele ohne Bayern-Sieg gab es zuletzt vor über 20 Jahren. Ottmar Hitzfeld hieß da der Münchner Trainer. Die Fassung, die Hitzfeld auch nach Enttäuschungen wahrte, fehlt Nagelsmann noch. Grimmig und im Telegrammstil kommentierte er im Presseraum der Augsburger Arena die erste Saison-Niederlage. Was der Trend bedeute? «Nichts Gutes», antwortete er knapp. Was sich ändern müsse? «Vieles.»

Bayern-Zauber verflogen

Gereizt reagierte Nagelsmann auf die Debatte um den nach dem Abgang von Weltfußballer Robert Lewandowski fehlenden Mittelstürmer. «Ist doch wurscht, was ich antworte», sagte Nagelsmann fast schon bockig. Es werde ihm ja eh schlecht ausgelegt. Lewandowski traf nach seiner Nullnummer beim 0:2 zuletzt in der Champions League gegen die Bayern am Wochenende beim 3:0 von Barça gegen Elche schon wieder doppelt.

Bei den Münchnern ist der Zauber des bestaunten Saisonstarts mit rauschenden Siegen verflogen. Der neue, flexible Offensivstil scheint decodiert. «Entschlüsselt weiß ich nicht, aber pariert schon einige Male», sagte Sportvorstand Hasan Salihamidzic, der forderte: «Jetzt gibt es keine Ausreden mehr, jetzt müssen Siege her.»

Nagelsmann beklagte einen «Laissez-faire»-Auftritt seiner Profis, Salihamidzic nahm Trainer und Mannschaft gemeinsam in die Pflicht. «Wir alle sind jetzt gefragt, nicht nur Julian Nagelsmann», sagte der 45-Jährige. Die Münchner verließen sich in Augsburg zu sehr auf ihre spielerischen Qualitäten und nahmen nicht den Kampf der giftigen, ekligen und grandios kämpfenden Augsburger an.

«So wie wir gespielt haben, kann man in der Bundesliga nicht gewinnen», stellte Salihamidzic klar. Man habe «brutale Probleme gegen Mannschaften, die körperlich gegen uns spielen, die uns sozusagen auf die Socken hauen».

Wiedersehen mit den Augsburgern im Pokal

Die Niederlage wird länger nachwirken. «Jetzt wird es erstmal eine ungemütliche Länderspielpause», sagte Nationalspieler Leon Goretzka voraus. Danach kann es noch unruhiger werden, aber auch schnell wieder bayern-like: Bayer Leverkusen daheim, Borussia Dortmund auswärts und der SC Freiburg wieder zu Hause lauten die nächsten Hausaufgaben in der Bundesliga.

«Die Bayern sind nach wie vor Topfavorit auf den Meistertitel», sagte Augsburg Manager Stefan Reuter nach dem FCA-Sieg durch das Tor von U21-Europameister Mergim Berisha. Ein Wiedersehen gibt’s ziemlich schnell: In einem Monat treffen beide im Pokal wieder aufeinander.

Von Christian Kunz und Klaus Bergmann, dpa

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