Dänemarks Christian Eriksen (r) kommt gegen Tunesiens Issam Jebali zum Schuss. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Hassan Ammar/AP/dpa)

Christian Eriksen blieb trotz aller Enttäuschung völlig entspannt. «Wie jeder weiß, konnte ich das letzte Mal nicht lange dabei sein. Deshalb bin ich sehr froh, wieder für Dänemark zu spielen», sagte der Star des EM-Halbfinalisten nach einem mauen 0:0 zum Auftakt der Fußball-WM gegen Tunesien. Beide Hände steckten dabei lässig in den Hosentaschen.

Vor 17 Monaten hatte der Spielmacher der Dänen nach 43 Minuten des ersten EM-Spiels einen Herzstillstand erlitten. Der dänische Start in die Weltmeisterschaft in Katar war also gleichzeitig sein Comeback bei einem großen internationalen Turnier. Niemand bei den Dänen konnte damit zufrieden sein: Das Ergebnis war enttäuschend, die Leistung dünn. Der Geheimfavorit dieser WM blieb deutlich unter den zuletzt so gestiegenen Erwartungen. Dennoch sagte Eriksen auch dazu bloß gelassen: «Wir hatten mit drei Punkten gerechnet – nun ist es nur einer.»

«Wir haben zu langsam gespielt»

Rein sportlich gesehen äußerten sich die Probleme der Dänen allein darin, dass Eriksen als wichtigster Spieler des Teams mehrmals auf dem Platz seine Position ändern musste. Er begann als verkappter Außenstürmer in einem 3-4-3-System, wechselte dann ins defensive und gegen Ende ins offensive Mittelfeld.

«Christian kann alles gut. Wir hatten gehofft, ihm mehr Bälle liefern zu können», sagte Trainer Kasper Hjulmand. «Aber wir hatten keine gute Struktur. Wir haben zu langsam gespielt. Natürlich sind wir nicht zufrieden.»

Dabei hatte es für die Dänen wie auch für ihren besten Spieler seit dessen Zusammenbruch fast nur noch Freudentage gegeben. Eriksen spielt mittlerweile mit einem Herzschrittmacher und wurde im Sommer vom englischen Rekordmeister Manchester United verpflichtet.

Seine Mannschaft marschierte erst in das EM-Halbfinale und dann auch noch beeindruckend souverän durch die WM-Qualifikation. Zuletzt besiegte Hjulmands Team in der Nations League auch noch den amtierenden Weltmeister und nächsten WM-Gegner Frankreich (Samstag, 17.00 Uhr, ARD und Magenta TV) – und das gleich zweimal.

«Tunesien hatte ein Heimspiel»

Mit dem massiven Widerstand der Tunesier kamen die Dänen jedoch nicht klar. Zehntausende Fans unterstützten den Außenseiter aus Nordafrika lautstark. «Tunesien hatte ein Heimspiel», sagte der Außenverteidiger Joakim Maehle von Atalanta Bergamo. «Die anderen Teams werden mit Tunesien auch Probleme haben.»

Vor allem, wenn sie auch gegen Australien und Frankreich so beherzt zur Sache gehen wie der Mittelfeldspieler Aissa Laidouni gleich in der ersten Minute. Der 25-Jährige grätschte Eriksen hart aber fair an der Seitenauslinie ab und feierte diese Aktion mit einer Jubelgeste Richtung Publikum. «Das ist der wichtigste Wettbewerb der Welt. Da ist es wichtig, mit viel Energie und Zielstrebigkeit auf den Platz zu kommen», sagte Laidouni. Und genauso spielte sein Team dann auch.

Eriksen «gibt eine Menge Energie und Kreativität»

Unter dem Strich haben die Dänen nun einen WM-Start hingelegt, der viel Energie kostete und wenig einbrachte. Das galt auf dem Spielfeld – und das gilt auch für ihre Proteste gegen die Menschenrechtsverhältnisse im Gastgeberland Katar.

Schon die Trainingsshirts mit der Aufschrift «Menschenrechte für alle» wurden ihnen von der FIFA untersagt. Dann verzichtete Simon Kjaer gegen Tunesien wie auch alle anderen europäischen Kapitäne auf das Tragen einer Kapitänsbinde, die für Toleranz und Vielfalt werben soll. «Ich kann verstehen, wenn jemand sagt: «Jetzt nimm‘ die Gelbe Karte»», meinte der Abwehrchef des AC Mailand. «Aber dann würde ich gerne sehen, was derjenige sagt, wenn es nach fünf Minuten ein Duell gibt, bei dem ich zufällig noch eine Gelbe Karte bekomme – und dann die Mannschaft und Dänemark in diese Situation bringe.»

Die sportliche Situation bei dieser WM soll nun vor allem einer retten: Christian Eriksen. Frankreich und Australien sind die beiden nächsten Gruppengegner. Und der Verteidiger Joachim Andersen sagte: «Er gibt uns eine Menge Energie und Kreativität. Wir brauchen ihn, um auf dem höchsten Niveau zu performen.»

Sebastian Stiekel, Nils Bastek und Tom Bachmann, dpa

Von