Ist nur noch einen Sieg vom lange ersehnten WM-Titel entfernt: Lionel Messi. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Tom Weller/dpa)

Wie Lionel Messi auf seinem Stuhl hockte, das hatte etwas Meditatives. Seine Unterarme lagen entspannt auf dem Pult vor ihm, die Hände wie zum Gebet gefaltet, der Blick die pure Entspannung.

Er lächelte sogar gleich mehrfach, was bei Messi zumindest nicht im Überschwang vorkommt. Wer den Superstar der Argentinier tief in der Nacht im Lusail-Stadion sitzen sah, hätte denken können: Er hat schon alles erreicht. Dabei fehlt noch dieser eine Schritt. Erst im WM-Finale am Sonntag gegen Frankreich wird sich zeigen, ob Messi sich seinen letzten Traum vom größten Pokal des Weltfußballs erfüllen kann. Dass er jetzt schon so zufrieden wirkt wie vielleicht nie, hat andere Gründe.

Es gibt nicht wenige, die während des Turniers in Katar schon mehrfach behauptet haben: Das ist der beste Messi, den es je im Nationaltrikot gegeben hat. Was soll man nach der 3:0-Gala im Halbfinale gegen Kroatien auch anderes erzählen? Ein Blick auf die einfachsten Zahlen des Spiels genügt schon: 1:0, Messi (34. Minute), Foulelfmeter. 2:0, Julián Álvarez (39.), Vorarbeit: Messi. 3:0, Álvarez (69.), überragende Vorarbeit: Messi. Allein wie er sich vor diesem Tor den Ball schnappt, sekundenlang damit dribbelt und den eigentlich extrem talentierten Leipziger Verteidiger Josko Gvardiol wie einen bedauernswerten Nebendarsteller aussehen lässt: pure Weltklasse im Alter von 35 Jahren.

Starker Messi genießt

«Was ich sagen kann, ist, dass ich das sehr genieße. Ich fühle mich sehr gut, ich fühle mich stark genug, um jedes Spiel anzugehen», sagte Messi später auf die Frage, ob er gerade die beste Version seiner selbst sei. «Persönlich kann ich sagen, dass ich mich sehr glücklich fühle, die ganze Weltmeisterschaft schon.» Aber woran liegt das? Denn es gibt auch andere Eindrücke von ihm im Trikot des Nationalteams. Zum Beispiel jene von der WM 2018, als bei den Argentiniern und ihm so gut wie nichts zusammenlief. Oder seine voreilig verkündeten Rücktritte aus der Albiceleste, jeweils aus dem gefühlten Frust darüber, Argentinien nicht zu einem großen Titel führen zu können.

2019 überredete Trainer Lionel Scaloni ihn zu einem Rücktritt vom Rücktritt. Und genau dieser Scaloni dürfte gemeinsam mit seinem Trainerteam der Hauptgrund dafür sein, dass Messi bei seiner fünften und letzten WM so spielt, als wäre es seine erste. Als sein emotionaler Vorgänger Jorge Sampaoli nach der verkorksten WM 2018 beurlaubt wurde, stieg der deutlich ruhigere Scaloni zur preiswerten Interimslösung auf. Er macht es so gut, dass er bis heute da ist. Das größtmögliche Lob für seine Arbeit bekam er am Dienstagabend in Lusail. «Wir wissen in jedem Moment des Spiels, was wir zu tun haben», sagte Messi, was eine klare Würdigung der akribischen Spielvorbereitung des 44-Jährigen war. 

Scaloni zu Tränen gerührt

Als Scaloni seinen Superstar nach dem Abpfiff gegen Kroatien auf dem Rasen umarmte, hatte er Tränen der Freude in den Augen: «Ihn spielen zu sehen, ist jedes Mal ein Genuss, etwas ganz Besonderes. Nicht nur für mich, sondern für alle Menschen in Argentinien», sagte der Ex-Profi. «Es ist wirklich ein Privileg, ihn trainieren zu dürfen.» Und obwohl Messi schon mehrfach (und am Dienstagabend erneut) verkündet hat, dass diese WM seine letzte im Nationaltrikot sein wird, sagt Scaloni immer wieder sinngemäß: Er hoffe, dass Messi auch noch 2026 für Argentinien spielen werde. 

Aber all die Fragen danach lächelt der Offensivmann von Paris Saint-Germain genauso entspannt weg wie jene nach dem Sieg gegen Kroatien. Elf Tore hat er für die Argentinier bei Weltmeisterschaften nun erzielt, wodurch er an Gabriel Batistuta vorbeizog und zum alleinigen WM-Rekordtorschützen seines Landes aufstieg. Sobald der Schiedsrichter am Sonntag das Finale gegen Frankreich oder Marokko anpfeift, wird Messi mit dann 26 WM-Einsätzen sogar weltweit einsame Spitze sein. Das interessiert ihn aber alles nicht. «Das ist alles schön und gut, aber das Wichtigste ist, dass wir als Mannschaft unser Ziel erreichen, welches das Schönste von allen ist.» 

Dieses Ziel ist 6,142 Kilogramm schwer und besteht aus Massivgold. Es ist der einzige Pokal, der Lionel Messi zur Krönung seiner einzigartigen Karriere noch fehlt. An diesem Sonntag in Katar soll es so weit sein. Er wirkt jedenfalls bereit wie nie.

Nils Bastek, Sebastian Stiekel, Miriam Schmidt und Jan Mies, dpa

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