Die Brasilianer sitzen nach der Niederlage enttäuscht auf dem Rasen. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Robert Michael/dpa)

Neymar sackte fassungslos und mit leerem Blick auf dem Rasen zusammen, Mitspielern und Fans schossen sofort die Tränen in die Augen. Selbst Kroatiens Fußball-Superstar Luka Modric musste nach dem Viertelfinal-Coup über Rekord-Weltmeister Brasilien erst mal den schwer enttäuschten Casemiro in den Arm nehmen. 

Die nervenstarken Kroaten um den überragenden Torhüter Dominik Livakovic zerstörten Brasiliens Hoffnungen auf den sechsten WM-Titel überraschend früh. Das Team um Superstar Neymar musste sich im Viertelfinale dem Vize-Weltmeister von 2018 am Ende eines Kampfspiels im Elfmeterschießen mit 2:4 geschlagen geben. 

Sichtlich bedrückt brachte Thiago Silva seinen Frust zum Ausdruck: «Das ist ganz schwierig, man hat keine Worte. Das tut sehr weh. Ich hätte gern den Pokal in die Höhe gehalten», bekannte der Abwehrspieler. Vor allem der späte Ausgleich durch Petkovic machte ihm zu schaffen: «Es war einfach unglücklich und es ist wahnsinnig schwer. Aber wir schauen nach vorn und stehen wieder auf.»

Petkovic gleicht Neymar-Führung aus

Nach einem 0:0 während der regulären Spielzeit hatte Neymar die Brasilianer mit seinem Treffer in der Verlängerung (105. Minute+1) scheinbar in das Halbfinale geschossen. Doch der Treffer von Bruno Petkovic (117.) riss den Favoriten aus allen Träumen. Wie schon im Achtelfinale gegen Japan avancierte Torhüter Livakovic zum Retter für sein Team und parierte einen Elfmeter von Rodrygo. Zudem traf Marquinhos im entscheidenden Elfmeter nur den Pfosten.

Bei vier der vergangenen fünf Weltmeisterschaften war für die Seleção in dieser Runde Schluss, die letzte Finalteilnahme datiert aus dem Jahr 2002. Auch ein möglicher Superclasico gegen Dauerrivale Argentinien entfällt damit sicher. Die im bisherigen Turnier so harmlosen Kroaten hingegen dürften angeführt vom wiedererstarken Ex-Weltfußballer Luka Modric von einer Wiederholung von 2018 träumen. Gegner am Dienstag (20.00 Uhr) werden entweder die Argentinier um Lionel Messi oder die Niederlande mit Cheftrainer Louis van Gaal.

Brasilien mit gleicher Startelf wie gegen Südkorea

Die Brasilianer traten vor 43.893 Zuschauern im Education City Stadion mit der gleichen Startelf wie schon bei der 4:1-Gala im Achtelfinale gegen Südkorea an. Ähnlich leicht wurde es ihnen aber nicht gemacht. Die Kroaten agierten in der Defensive deutlich konzentrierter als die Asiaten. Wenn Brasilien den Ball hatte, standen sie in der Regel mit elf Spielern dahinter. Zu großen Chancen kam der Rekord-Weltmeister daher zunächst nicht. Aber die Seleção näherte sich an.

Neymar und Co. hatten genau gewusst, was sie erwartet. Zum einen die Routine von Superstar Luka Modric und seinen Mittelfeldkollegen Marcelo Brozovic und Mateo Kovacic. Zum anderen die enorme Erfahrung der gesamten Mannschaft. Von ihren vergangenen neun K.o.-Partien bei Weltmeisterschaften hatten die Kroaten sieben gewonnen. In all diesen neun Partien haben sie mindestens ein Tor erzielt. Wenn also jemand wusste, worauf es in diesen Spielen ankommt, dann das Team von Trainer Zlatko Dalic. 

Der Vize-Weltmeister war im ersten Durchgang allerdings fast nur damit beschäftigt, den spielstarken Gegner vom eigenen Tor fernzuhalten. In der 5. Minute versuchte es Vinícius Júnior erstmals mit einem Schlenzer. Eine Viertelstunde später kombinierte sich der Tempodribbler von Real Madrid dann per Doppelpass in eine aussichtsreiche Position, sein Schuss wurde jedoch von einem Kroaten geblockt. Wenige Sekunden später scheiterte Superstar Neymar an Torwart Livakovic. Mehr ließ Kroatien nicht zu. 

Livakovic als Lebensversicherung der Kroaten

Die Taktik der Kroaten wurde immer klarer, je länger das Spiel dauerte: hinten möglichst gar nichts zulassen und vorne durch Konter gefährlich werden. Und wenn Kroatien mal gefährlich wurde, dann hauptsächlich über Pässe von Modric oder die rechte Seite um Außenverteidiger Josip Juranovic. Doch auch das wurde weniger. Brasilien schnürte den Gegner im zweiten Durchgang immer mehr in der eigenen Hälfte ein. Neymar (55.) hatte die große Chance zur Führung, kam aus spitzem Winkel aber auch nicht an Livakovic vorbei. Ein unabsichtliches Handspiel von Juranovic im Strafraum wurde nach Videoüberprüfung nicht geahndet.

Doch Brasilien kam der Führung immer näher, und Livakovic wurde immer mehr zur Lebensversicherung der Kroaten. Nach einem Missverständnis der Innenverteidigung war Lucas Paquetá (66.) plötzlich frei vor dem Keeper, kam aber ebenfalls nicht vorbei. Dann ging es über Joker Rodrygo und den diesmal blasseren Richarlison ganz schnell, doch erneut blieb Livakovic im Duell mit Neymar der Sieger. Der 27-Jährige, der schon gegen Japan mit drei gehaltenen Elfmetern zum Helden wurde, hielt sein Team nach der Pause beinahe im Alleingang im Spiel. Doch gegen den Treffer von Neymar aus kurzer Distanz in der Verlängerung war auch der Klassekeeper machtlos. Mit dem Treffer von Petkovic waren die Kroaten jedoch zurück im Spiel und behielten wie schon gegen Japan im Duell vom Elfmeterpunkt die Nerven.  

Nils Bastek, Patrick Reichardt und Ulrike John, dpa

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