Wahbi Khazri (weißes Trikot) war Tunesien Matchwinner gegen Weltmeister Frankreich. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Robert Michael/dpa)

Einige Spieler Tunesiens sackten vor Stolz auf dem Rasen zusammen, nicht wenige der Tausenden Fans im Stadion hatten Tränen der Freude in den Augen. Im ersten Moment nach dem überraschenden 1:0 (0:0) gegen Weltmeister Frankreich glaubten sie noch an den erstmaligen Einzug in ein WM-Achtelfinale. Erst kurz danach erfuhren sie vom bitteren Turnier-Aus – weil Australien parallel Dänemark geschlagen hatte. 

«Als ich den Platz verlassen habe, habe ich das Ergebnis gesehen. Das war etwas hart für uns», berichtete der an diesem Mittwochabend in Al-Rajjan überragende Torschütze Wahbi Khazri. Obwohl der 31-Jährige kaum noch laufen konnte, überwog am Ende dennoch der Stolz. «Wir sind glücklich, dass wir dem tunesischen Volk eine gute Leistung gezeigt haben. Sie sind heute Abend stolz auf uns.»

Deschamps zeigt sich irritiert

Obwohl die Chance von Anfang an gering gewesen war, hatten die Nordafrikaner gegen den Titelverteidiger alles gegeben. Und sie mussten alles durchleben. Das Spiel war eigentlich schon gewonnen, da erzielte der eingewechselte Antoine Griezmann in der 98. Minute noch den vermeintlichen Ausgleich für Frankreich. Anschließend pfiff Schiedsrichter Matt Conger ab. Bis er einen Hinweis vom Videoassistenten bekam: Griezmann hatte beim Tor im Abseits gestanden. Tunesiens Torwart fiel vor Glück auf den Rasen. Conger pfiff nochmal an. Die abschließenden Sekunden überstand Tunesien schadlos.

Frankreichs Trainer Didier Deschamps zeigte sich nach dem Spiel etwas irritiert. «Ich kenne nicht alle Regeln. Der Schiedsrichter pfeift, dann kommt der VAR. Ich wusste nicht, dass das erlaubt ist. Wusstest Ihr, dass das erlaubt ist?», fragte er in der Pressekonferenz. Sein Verband ist sich sicher, dass es nicht den Regeln entsprach und kündigte am späten Mittwochabend an, fristgerecht Protest gegen die Wertung einzulegen. Die Aberkennung des Treffers sei «zu Unrecht» erfolgt, teilte der französische Verband am Mittwochabend mit. Man arbeite den Protest gerade aus, dieser muss bis 24 Stunden nach dem Spiel eingegangen sein.

Deschamps wirkte aber alles andere als enttäuscht über das Ergebnis. Entspannt und locker beantwortete er die Fragen. Auch jene nach der XXL-Rotation in seiner Mannschaft, die er auf gleich neun Positionen umgebaut hatte. «Wir hatten die Chance, einigen Spielern eine Pause zu geben», meinte er mit Blick auf das bereits vorab gesicherte Achtelfinale. 

Kadri spricht von historischem Tag

Die Leistung der Tunesier wurde durch den Erfolg gegen ein B-Team des Titelverteidigers nicht geschmälert. Ihr Trainer Jalel Kadri sprach im Anschluss von einem historischen Tag. «Für mich ist die Sache klar: Das ist die beste Leistung seit 1978», sagte der 50-Jährige. Bei der WM damals in Argentinien hatten die Afrikaner in der Vorrunde einen Sieg und ein Remis geholt. So wie jetzt auch. «Wir waren diesmal in einer Gruppe mit Frankreich, Dänemark und Australien und haben vier Punkte geholt. Ich glaube, das ist einer unserer besten Leistungen.»

Dennoch bleibt seine Zukunft als Trainer Tunesiens offen, weil sie an das Erreichen des Achtelfinals geknüpft war. In nächster Zeit wird darüber entschieden, und in diese Analyse wird sicher auch die starke Leistung gegen die Franzosen einfließen. Khazri, der in Montpellier in Frankreich spielt, sorgte für den Siegtreffer (58.) für das Team um den Kölner Ellyes Skhiri. Frankreich wurde trotz der ersten Niederlage in einem WM-Spiel seit dem Viertelfinale 2014 gegen Deutschland (0:1) Gruppensieger. Gegner im Achtelfinale am Sonntag ist Polen.

Tunesische Fans feiern lange nach Abpfiff

Tunesien dagegen wird – mal wieder – die vorzeitige Heimreise antreten müssen. Bei der sechsten WM-Teilnahme ging es erneut nicht über die Vorrunde hinaus. Trotzdem zeigte auch Deschamps im Anschluss großen Respekt vor dem aufopferungsvollen Auftritt des Außenseiters. «Sie waren enthusiastisch, sie waren richtig gut. Aber das ist verständlich, weil sie etwas hatten, für das sie gekämpft haben, nämlich für den Einzug ins Achtelfinale», sagte der 54-Jährige. «Sie haben ihr Herz auf dem Platz gelassen.» 

Und das wussten auch ihre Fans, die ihre Mannschaft auch lange nach dem Abpfiff noch feierten. Doch trotz allem: nach dem erneuten WM-K.o. bleibt ein fader Beigeschmack. «Es ist irgendwie ein bitterer Sieg, weil es schöner gewesen wäre, Frankreich zu schlagen und ins Achtelfinale einzuziehen», sagte Torschütze Khazri.

Nils Bastek, Holger Schmidt und Mokhtar Gmati, dpa

Von