Will bei der Heim-EM die Nummer eins im DFB-Tor sein: Marc-André ter Stegen. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Arne Dedert/dpa)

Manuel Neuers Trikot mit der «1» hat sich Marc-André ter Stegen schon mal gekrallt. Endlich!

Auch wenn der 30-Jährige diesen symbolischen Akt mit einer gewissen Strahlkraft nach innen und außen vor dem Aufbruch Richtung Heim-EM 2024 mit dem Testspiel am Samstag (20.45 Uhr/ZDF) in Mainz gegen Peru nicht zu hoch hängen will. «Ich wurde gefragt, ich habe okay gesagt – und jetzt habe ich die Nummer. Viel mehr gibt es dazu nicht zu sagen», äußerte ter Stegen launig zum Ablauf der Nummernvergabe.  

Hergeben will der Weltklassetorwart des FC Barcelona das Nummer-1-Dress freilich nicht mehr.

Ter Stegens erklärtes Ziel ist es, in 15 Monaten endlich sein erstes großes Turnier im DFB-Tor zu bestreiten – und das auch noch im eigenen Land. Die nervige Prinz-Charles-Rolle als ewiger Kronprinz hinter dem übergroßen Konkurrenten Neuer soll dann wie beim ewig wartenden heutigen König von England ein für allemal vorbei sein. «Ich werde versuchen, meine Chance zu nutzen – absolut. Aber ob jetzt die Nummer eine Aussagekraft hat?», sagte ter Stegen skeptisch. «Am Ende zählt die Leistung, und die möchte ich zeigen.»

Ter Stegen will Gelegenheit nutzen

Der folgenschwere Skiunfall von Manuel Neuer kurz vor Weihnachten hat nicht nur beim FC Bayern vieles verändert, sondern eben auch im DFB-Tor. Neuers Pech ist ter Stegens Gelegenheit zur Wachablösung. «Es sind nicht immer nur die Erfolge, die einen groß machen», bemerkte er zu den Frustmomenten, wenn er sich vor Turnieren immer wieder hinter Neuer einreihen musste. Seine Beharrlichkeit soll sich jetzt auszahlen. 

«In den letzten Monaten und Jahren haben meine Leistungen in der Nationalmannschaft gestimmt. Und ich werde ansetzen, dass ich dranbleibe. Ich möchte erfolgreich mit der Nationalmannschaft sein.» Mit Was-wäre-wenn-Szenarien im Fall einer Neuer-Rückkehr mag sich ter Stegen öffentlich nicht auseinandersetzen. «Durch die Verletzung von Manu, der gerade nicht da ist, ist die Situation so wie sie ist», sagte er am Donnerstag nach einer geheimen Trainingseinheit mit Schwerpunkt Standards auf dem Frankfurter DFB-Campus. 

Mit Neuer, der noch in diesem Monat 37 wird, hatte er nur kurz nach dessen Beinbruch Kontakt. «Man schreibt sich, man wünscht sich alles Gute. Man hofft, dass die Regeneration von dieser Verletzung schnell und gut verläuft. Ich wünsche ihm wirklich, dass er schnell wieder zurückkommt und sich trotzdem die Zeit nimmt, um hundertprozentig fit zu werden. Das wünscht man ihm als Kollege, als Freund und als langer Wegbegleiter in der Nationalmannschaft», berichtete ter Stegen vom Nachrichtenaustausch mit Neuer. 

Ter Stegen, Trapp, Leno

Hansi Flick hat ihm Einsätze gegen Peru und anschließend in Köln gegen Belgien zugesagt. Die neue Torhüter-Hierarchie nach der WM lautet erstmal so: Ter Stegen ist die eins, der Frankfurter Kevin Trapp die zwei und Rückkehrer Bernd Leno vom FC Fulham die drei. 

Mit seinem ersten Kader 2023 hatte der Bundestrainer verblüfft. Etablierte Kräfte raus, Neulinge rein, lautete die Marschrichtung. Nur auf der Torhüter-Position scherte Flick aus. Gesichter für die Zukunft? Fehlanzeige.

Flick setzt trotz des Ausfalls von Neuer auf das Ü30-Trio mit ter Stegen (30), Trapp (32) und Leno (31). «Gerade im Tor haben wir enorm hohe Qualität», begründete der Bundestrainer. Auch Neuer schreibt Flick nicht ab. Er sei «überzeugt, dass er an seine Leistungsgrenze kommt, wenn er wieder zu hundert Prozent fit wird», sagte der Bundestrainer. Ist ter Stegen also auch diesmal nur der Platzhalter? 

«Ich möchte die Spiele spielen und bereit sein», sagte der Mann, der mit 20 Jahren im Nationalteam debütierte und seit neun Jahren herausragend bei Barça spielt. Der Frage nach dem Vergleich mit Neuer weicht er lieber aus. «Jeder Torwart hat seinen eigenen Stil.» Selbstbewusst schiebt er gleichwohl nach: «Ich kann alle Facetten ins Spiel bringen.»   

Leitet Ter Stegen eine neue Ära ein?

Als Mario Götze am Donnerstag gefragt wird, gegen wen es schwerer sei, zu treffen, ter Stegen oder Neuer, dreht sich der neben ihm sitzende ter Stegen im Spaß demonstrativ hin zum Offensivspieler, der nun ja nichts Falsches antworten sollte. «Ich habe beide erlebt. Schwierig zu vergleichen. Beide sind verschiedene Torhüter. Aber beide sind Weltklassetorhüter», sagt Götze. «Wunderschön gesagt», wirft ter Stegen lachend ein.  

Deutschlands neue Nummer eins zeigt sich locker, reif und entschlossen. Sein Moment ist jetzt da. 30 Länderspiele nach elf Jahren sind wenig. Keines bestritt er bei einer WM oder EM. Nur beim gewonnenen Confederations Cup 2017 in Russland war er erste Wahl, weil der damalige Bundestrainer Joachim Löw damals Neuer im Sommer eine Pause gönnte. 

Ter Stegen will jetzt nicht nur die Testspiele bis zur EM bestreiten. Er möchte am liebsten eine Ära nach Neuer prägen. «Solange die Gesundheit stimmt, die Leistung stimmt, steht einer langen Karriere nichts im Weg», sagte er. Schon einmal wähnte sich ter Stegen übrigens davor, in ein großes Turnier als Nummer eins zu gehen – vor der WM 2018. Dann kehrte Neuer nach einer langwierigen Fußverletzung pünktlich gesund zurück und stand in Russland wieder im Tor – nachdem ter Stegen zuvor fast alle Spiele bestritten hatte.

Klaus Bergmann und Arne Richter, dpa

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