Herthas Trainer Pal Dardai steht mit seinem Team vor dem Abstieg.. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Federico Gambarini/dpa)

Pal Dardai hatte auch am Tag nach der Klatsche in Köln noch ein großes Mitteilungsbedürfnis. Fast zehn Minuten redete der Trainer von Hertha BSC auf dem Trainingsplatz auf seine im Kreis versammelten Spieler ein. Der blaue Himmel über dem Olympiagelände und die schöne Mai-Sonne wollten gar nicht zu der Stimmung passen, die bei den Berlinern zwischen Explosion und Desillusion schwankt.

Das 2:5 am Vorabend beim 1. FC Köln hatte nicht nur Dardais Vier-Spiele-vier-Siege-Plan recht rabiat schon auf der zweiten Station beendet. Nach der bemitleidenswerten Vorstellung konnte auch der Chefcoach nicht mehr die schützende Hand über seine Spieler halten.

Zurücklehnen und die Ergebnisse der Konkurrenz abwarten, wollte sich Dardai nach der samstäglichen Übungseinheit. Mehr blieb ihm auch nicht übrig. Der Bochumer 3:2-Sieg gegen den FC Augsburg brachte dann keine Freude, aber zumindest rechnerische Klarheit. Nur mit zwei Siegen gegen eben den Ruhrpott-Club am kommenden Samstag und eine Woche später beim VfL Wolfsburg kann Hertha den Klassenverbleib noch schaffen.

Spannende Mitgliederversammlung

Die Stimmung auf dem Trainingsgelände war schon vor dem nächsten Ergebnis-Dämpfer fatalistisch. Die wenigen Fans mussten über ihre Kommentare zu den müde vorbei schleichenden Spielern («Kämpfen Jungs» und «Nicht aufgeben») fast schon selber lachen. Bei der schon lange angesetzten Mitgliederversammlung am Sonntag in der Berliner Messe dürfte die Atmosphäre rauer sein. 

Es ehrte Dardai, dass er keine Lust auf unglaubwürdige Durchhalteparolen hatte. Die Ausführungen des Trainers noch in Köln waren nicht weniger als eine erste Bundesliga-Abschiedsrede. Breitflächig sprach Dardai seinem Team die Qualität ab. Zu wenig Tempo, ja sogar zu wenig Mentalität – so ist die Klasse nicht zu halten. «Die Mannschaft ist eben so eingekauft worden», sagte der Ungar resignierend. 

Den Finger nur auf andere zu zeigen, die vor seiner dritten Rettungsmission im Management der Berliner seit Jahren Fehler um Fehler machten, ist aber nicht Dardais Art. Er räumte auch selbst ein entscheidendes Versäumnis ein. Nämlich, die Mannschaft offenbar überschätzt zu haben. «Ich suche den Fehler bei mir», sagte der 47-Jährige: «Vielleicht habe ich zu viel über offensiven Fußball geredet. Ich hatte das Gefühl, die defensive Stabilität sei da. Aber wenn die Kölner Tempo gegangen sind, hatten wir ein Riesen-Defizit.»

«Riesiges Mentalitätsproblem»

Die Qualität ist eines, doch noch schlimmer war der Vorwurf der mangelnden Einstellung. «Wir haben ein riesiges Mentalitätsproblem», stellte der Trainer fest: «Wahrscheinlich muss ich weiter streng bleiben.» 

Beim Blick auf die Statistik schüttelte er immer wieder mit dem Kopf. Bei den Kölnern, die in fünf Heimspielen zusammen zuvor ein Tor erzielten, hatten sie nicht nur wie vor Dardais Rückkehr beim 2:5 beim FC Schalke 04 schon wieder fünf Gegentore kassiert. Angesichts von zwei weiteren Pfostentreffern, 31 Torschüssen und einer starken Leistung von Hertha-Keeper Oliver Christensen hätte es sogar ein denkwürdiges Debakel werden können. 

Deshalb wäre Dardai sich wohl albern vorgekommen, nach diesem Auftritt des Tabellenletzten vom Klassenerhalt zu sprechen. «Wir dürfen nicht labern oder erzählen», sagte er: «Wir müssen einfach den Mund halten und schauen, was am Wochenende passiert. Dann machen wir am Montag eine Analyse. Und wenn wir dann noch eine Chance haben, müssen wir uns vorbereiten auf Bochum.»

Finanzielle Probleme

Weiter verschärfen könnte sich die Stimmung beim Hauptstadt-Club am Sonntag bei der Mitgliederversammlung. Denn nicht nur sportlich steht der Hertha das Wasser bis zum Hals, sondern auch finanziell. Die Lizenz – auch für die 2. Bundesliga – ist noch nicht bestätigt. «Wir befinden uns in einem Restrukturierungsprozess. Wir müssen Personalkosten grundsätzlich abbauen», sagte Sportdirektor Benjamin Weber. 

Es dürfte turbulent werden in der Berliner Messehalle. Ein Abwahlantrag gegen das gesamte Präsidium von einem Mitglied kommt eher aus der Kategorie Vereinsmeierei und Kabarett. Aber nach dem geräuschvollen Rücktritt von Langzeit-Führungsmitglied Ingmar Pering sind hitzige Debatten – auch um die Rolle von Präsident Kay Bernstein – programmiert. Durchhalteparolen werden auch dem bei den Fans eigentlich beliebten Club-Chef nichts nutzen.

Von Holger Schmidt, Ann-Marie Utz und Arne Richter, dpa

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