Training vor dem Länderspiel gegen Kolumbien: Hansi Flick spricht mit Robin Gosens, David Raum und Jonas Hofmann. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Jürgen Kessler/dpa)

Beim Lieferdienst Hansi Flick ist eine dringende Sieg-Bestellung eingegangen.

Und der mächtig in die Kritik geratene Chef der Nationalmannschaft will sie den mindestens 45.000 Fans unbedingt erfüllen, die trotz der Länderspiel-Flops gegen die Ukraine (3:3) und in Polen (0:1) beim letzten Saison-Halt auf Schalke in der Arena dabei sein wollen. «Die Vorzeichen sind jedem bekannt: Wir wollen natürlich dieses Spiel gewinnen», sagte Flick in seinem Eingangs-Statement zum EM-Test gegen Kolumbien. Das Experimentieren rückt auf der Agenda diesmal ein Stück nach hinten. «Es geht erstmal ums Ergebnis», sagte Flick zur Priorisierung in dem Heimspiel am Dienstag (20.45 Uhr/RTL). 

Euphorie soll wiederkehren

Vielleicht gelingt ein kleiner Stimmungsumschwung ja mit Champions-League-Sieger Ilkay Gündogan, auch wenn dieser sich am Montag auf dem Frankfurter DFB-Campus vor der Bahnfahrt der Nationalspieler ins Ruhrgebiet nur widerwillig in die Rolle des Heilsbringers drängen lassen mochte. «Ich sehe mich so nicht», sagte der 32-Jährige. Im ersten Spiel nach dem Triple-Triumph mit Manchester City vor anderthalb Wochen will ein ausgeruhter Gündogan aber schon vorangehen. «Ich glaube, dass ich aufgrund der letzten Wochen viel positive Energie einbringen kann und auch eine gewisse Ruhe», sagte er. Zugleich mahnte er nach den vorangegangenen Partien ohne ihn: «Wir dürfen nicht in Aktionismus verfallen.»  

Diesen hatte DFB-Sportdirektor Rudi Völler schon zuvor mit seinem klaren Votum für den öffentlich angezählten Bundestrainer («Flick bleibt») ausgeschlossen – selbst für den Fall einer weiteren Niederlage. Flick gewährte vor seinem 24. Spiel als Bundestrainer einen kurzen Blick in sein Innenleben, als er die Frage beantworten sollte, wie er mit der Kritik an ihm persönlich umgehe, die er in dieser Heftigkeit in seiner Karriere wohl noch nie erlebt habe.

«Das stimmt, ja, da muss ich Ihnen leider zustimmen. Aber letztendlich ist es so, dass man in der Verantwortung steht. Und die Ergebnisse geben wenig Spielraum für etwas anderes her», sagte Flick. Zermürbt zeigte sich der ehemalige Titelsammler beim FC Bayern München aber nicht, sondern eher kämpferisch: «Ich gehe kompromisslos meinen Weg!»  

Vertrauen auf Flick

Die DFB-Entscheider weiß er auf dem Weg Richtung Heim-EM noch hinter sich. «Natürlich sind wir nicht erfreut über die Ergebnisse. Wir wollen gewinnen, wir wollen erfolgreich sein. Das ist nicht gelungen bei den letzten beiden Spielen. Aber deswegen jetzt direkt das Ende des Abendlandes auszurufen, ist auch völlig überzogen», sagte Präsident Bernd Neuendorf im ZDF. Flick arbeite «akribisch» und «sorgfältig», betonte Neuendorf.

Flick stimmen die Ergebnisse «absolut nicht glücklich». Trotzdem beharrt er auf einer erkennbaren Entwicklung seiner Mannschaft, deren EM-Gerüst nicht mal ansatzweise zu erkennen ist. Am Tag nach dem Nations-League-Finale zwischen Titelgewinner Spanien und dem unglücklichen Verlierer Kroatien verblüffte er mit dieser Leistungseinschätzung: «Wir spielen auf der gleichen Ebene, dem gleichen Niveau, wenn wir alles einbringen.»  

Die Kolumbianer mit dem aus der Bundesliga bekannten Angreifer Rafael Borré von Eintracht Frankfurt zählen im Gegensatz zu Kroatien und Spanien nicht zu den Top Ten der FIFA-Weltrangliste. Aber auf Platz 17 rangieren sie deutlich vor den ersten DFB-Testgegnern Ukraine (Platz 30) und Polen (23). Und sie sind unter Nationaltrainer Nestor Lorenzo noch ungeschlagen (fünf Siege, zwei Unentschieden). 

Ein Erfolgserlebnis muss her

Auch wenn Flick ein drittes Mal die Dreierkette um die Neu-Entdeckung Malick Thiaw ausprobieren wird, will er diesmal «den Fokus in die Offensive legen». Er will dringend mit einem Erfolgserlebnis in die Sommerpause, so wie seine Spieler. Robin Gosens nannte einen Sieg sogar «essenziell». Aber selbst dann wird Flick neben der WM-Hypothek auch den Rucksack einer in der Gesamtbetrachtung misslungenen Saison mit in die kommende EM-Spielzeit schleppen. Im noch strahlenden ersten Bundestrainer-Jahr kam er auf neun Siege und vier Unentschieden. In den bislang zehn Spielen des zweiten Spieljahres sind es drei Siege, drei Remis – und vier Niederlagen. Es sind Zahlen einer Abwärtsentwicklung. Trotzdem glaubt sein Vorgesetzter Völler weiterhin an den «absoluten Toptrainer» Flick und auch an den Umkehrschub zur Heim-EM: «Ich bin immer noch optimistisch, dass wir das hinbekommen.» 

Klaus Bergmann und Jan Mies, dpa

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