Die Chance des VfB Stuttgart auf eine sorgenfreiere Saison ist so groß wie lange nicht. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Tom Weller/dpa)

So mancher Fan sah sich verwundert um, Sportdirektor Fabian Wohlgemuth konnte sich eine kleine scherzhafte Bemerkung nicht verkneifen.

«Es ist doch wunderbar, unsere Spiele zu besuchen. Da kann man sicher sein, dass man viele Tore sieht», sagte der 44-Jährige. Der VfB Stuttgart hat einen bemerkenswerten Saisonstart hingelegt – und macht seinen Fans nach zwei kräftezehrenden Jahren im Abstiegskampf der Fußball-Bundesliga wieder so richtig Spaß. 5:0 gegen den VfL Bochum, 1:5 bei RB Leipzig und nun ein weiteres 5:0 im Landesduell mit dem SC Freiburg – die Schwaben können offenbar nur noch Spektakel.

Drei Tore innerhalb von gut zehn Minuten

«Richtig happy» sei er mit diesem Auftakt, sagte Trainer Sebastian Hoeneß nach dem ebenso überraschenden wie eindrucksvollen Auftritt seiner Mannschaft gegen Freiburg am Samstag. Genau wie gegen Bochum konnte der VfB froh sein, nicht früh in Rückstand geraten zu sein. Danach spielte sich der Fast-Absteiger der Vorsaison gegen den Europa-League-Teilnehmer aber in einen Rausch. Drei Tore innerhalb von gut zehn Minuten, zwei weitere nach der Pause: Chris Führich (8./62. Minute) und Topstürmer Serhou Guirassy (17./19.), der schon bei fünf Saisontoren steht, trafen jeweils doppelt. Joker Enzo Millot (75.) besorgte den Endstand.

Zuhause ist der VfB unter Hoeneß eine Macht. Nur eines der bislang acht Pflichtspiele unter dem 41-Jährigen vor heimischer Kulisse ging verloren – und auch dieses 2:3 im DFB-Pokal-Halbfinale gegen Eintracht Frankfurt im Mai war ein Spektakel. Die Fans seien definitiv ein Faktor, erklärte der Coach. Die Atmosphäre in der aktuell noch im Umbau befindlichen, auch am Samstag aber wieder mit mehr als 50.000 Zuschauern gefüllten Arena, gebe seinen Spielern ein «gutes, sicheres Gefühl.» Die Anhänger hätten ein «gutes Gespür» dafür, was die Mannschaft gerade brauche. Und es könne «richtig viel Wert sein für eine Saison, wenn du das Gefühl hast, zuhause vielleicht noch ein paar Prozent mehr in den Beinen zu haben».

«Müssen demütig und klar bleiben»

Gewonnen oder verloren wird aber natürlich immer noch auf dem Platz. Er werde «nicht müde zu sagen, dass es enorm wichtig für uns ist, die Dinge richtig einzuordnen», meinte Hoeneß. Dazu gehört, dass die Freiburger am Samstag mitunter katastrophal verteidigt haben. Immer wieder nimmt der VfB-Trainer das Wort «Demut» in den Mund. Von der gab es in Stuttgart jahrelang zu wenig. «Wir müssen demütig und klar bleiben. Dann sind wir in der Lage, richtig gute Spiele zu machen», sagte der Coach. Gegen den Sport-Club sei das gelungen.

In Leipzig zuvor aber eben nur eine Halbzeit lang. Die Stuttgarter waren nicht die Ersten, die vom spielstarken Pokalsieger phasenweise überrannt wurden. Die bisherigen Partien der noch jungen Saison zeigen aber, dass die Mannschaft des VfB noch nicht wirklich gefestigt ist, sondern weiter reifen und zusammenwachsen muss. Kommt sie in Fahrt, schöpft sie womöglich endlich ihr von vielen Seiten schon lange prophezeites Potenzial aus. Kassiert sie einen Rückschlag, wird sie sich künftig an anderen Stützen orientieren müssen als bisher.

Wataru Endo (FC Liverpool), Konstantinos Mavropanos (West Ham United) und Borna Sosa (Ajax Amsterdam) haben den Club diesen Sommer verlassen. Andere müssen nun mehr Verantwortung übernehmen. Angelo Stiller, der Endo im Mittelfeld ersetzen soll, überzeugte gegen Freiburg auf Anhieb. Ein «sehr, sehr gutes Debüt» des Ex-Hoffenheimers sei das gewesen, sagte Sportchef Wohlgemuth. Auch die Offensivspieler Führich und Millot bringen ihre Qualitäten inzwischen regelmäßiger auf den Platz. «Ich hoffe, dass ich diese Saison noch ein paar mehr drauflegen kann», sagte Führich nach seinen zwei Toren am Samstag.

Der Start ist geglückt, Stuttgarts Chance auf eine sorgenfreiere Saison womöglich so groß wie lange nicht. Nach der Länderspielpause geht es zum 1. FSV Mainz 05. Vergangenen Mai gewann der VfB dort mit 4:1. Es riecht schon wieder nach Spektakel.

Christoph Lother, dpa

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