Da geht's lang: Bayern-Trainer Thomas Tuchel (l) und Joshua Kimmich. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Federico Gambarini/dpa)

Es rumort mal wieder beim FC Bayern. Dabei könnte alles so harmonisch sein: Der Start in die Fußball-Bundesliga ist mit drei Siegen aus drei Partien bestens gelungen. Und trotzte der deutsche Rekordmeister auch dem Angstgegner-Fluch von Mönchengladbach.

Den 2:1-Zittersieg nach 0:1-Rückstand bei der Borussia feierten die Bayern-Profis ausgelassen und gelöst, als wäre schon wieder ein Titel eingeheimst. «Es tut unheimlich gut, hier endlich mal wieder gewonnen zu haben», bekannte Mittelfeldspieler Leon Goretzka nach zuvor viereinhalb sieglosen Jahren mit vier Niederlagen aus fünf Pflichtspielen in Gladbach.  

Verkorkste Transferperiode wirkt nach

Für Trainer Thomas Tuchel und sein Team kam der hochverdiente und hart erkämpfte Erfolg im Liga-Klassiker genau zur rechten Zeit. Denn das verkorkste Ende der Sommer-Transferperiode wirkt nach. «Das war wichtig, denn es gab viele Geräusche – wie so oft», sagte Tuchel. «Das war eine gute Reaktion. Drei Siege zum Auftakt – das ist gut.»

Doch die Diskussionen über geplatzte Wunschtransfers und eventuell zu viel abgegebene Abwehrspieler dürfte anhalten. Tuchel selbst gibt sich keine Mühe, seine Unzufriedenheit vor allem über die in letzter Sekunde geplatzte Verpflichtung des defensiven Mittelfeldspielers João Palhinha vom FC Fulham zu verbergen. «Sehr ungläubig» habe er den letzten Tag der Transferfrist verfolgt, bemerkte Tuchel. Denn wie einige Profis bestätigten, war der Portugiese bereits an der Säbener Straße und hatte den Medizincheck absolviert. Laut Bayern-Vorstandschef Jan-Christian Dreesen fand Fulham indes nicht rechtzeitig Ersatz.

So muss Tuchel im defensiven Mittelfeld mit Leon Goretzka, Joshua Kimmich und Konrad Laimer klarkommen. «Wir haben drei Leute und mit denen spielen wir. Das muss jetzt so funktionieren bis zum Winter», sagte der Coach zu seinem Luxusproblem mit dem defensiven Mittelfeld, das zusammen immerhin einen Marktwert von 150 Millionen Euro vereint. Und bei den betroffenen Spielern kam die Debatte über einen fehlenden robusten und reinen Defensivspieler im Mittelfeld gar nicht gut an. «Wir haben ja auch hier mit Mittelfeld gespielt, und ich finde, wir haben es ganz gut gemacht», sagte Goretzka trotzig. 

Tuchel aber wies darauf hin, dass ein Spielertyp wie Palhinha fehlt. «Er hätte unser gesamtes Potenzial auf dieser Position einfach noch einmal freigelegt», argumentierte der Coach, der für seine offen geäußerte Enttäuschung postwendend Gegenwind von der Bayern-Führung bekam. «Klar, er muss jetzt ein bisschen kreativer sein. Das ist sein Job», sagte Dreesen bei Sky. 

Fünf Verteidiger abgegeben, nur drei geholt

Dass der Verein zum Ende der Transferfrist keine gute Figur abgab, blieb aber auch dem aktuellen – nur 22 Mann umfassenden – Kader nicht verborgen. «Ich glaube auch, dass der Verein sich den Deadline-Day anders vorgestellt hat», sagte Thomas Müller. Neben dem geplatzten Palhinha-Deal sorgte die Personalpolitik in der Abwehr für Verwunderung. Fünf Verteidiger wurden abgegeben, aber nur drei neue geholt. «Wir waren schon mal breiter aufgestellt, das ist offensichtlich», sagte Goretzka. Und Tuchel kritisierte mit Blick auf den Kader: «Er ist dünner als vorher. Es ist ein bisschen dünn, ein bisschen wenig.»

Dabei hat er nun nicht mehr das Problem, viele unzufriedene Ersatzspieler bei Laune halten zu müssen. Insbesondere die abgewanderten Benjamin Pavard (Inter Mailand) und Ryan Gravenberch (Liverpool) waren mit ihrer Situation unglücklich. Zum Problem wird die Personaldecke nur, wenn es Verletzte gibt. «Wir zweifeln nicht an der Leistungsfähigkeit des Kaders, aber jetzt brauchen wir ein bisschen Glück», sagte Tuchel im ZDF-«Sportstudio»: «Hoffentlich kommt man mit ein bisschen Glück damit durch bis zum Winter.»

Weltmeister Müller erinnerte daran, dass in solchen Situationen der FC Bayern immer Stärke gezeigt und hoffnungsvolle Talente hervorgebracht habe. «Mir wird jetzt auch nicht angst und bange. Wir sind super aufgestellt», sagte Müller. Es könnten auch Nachwuchstalente einspringen. «Es sind schon ein paar da, die das Potenzial haben, da zu sein.»

Dass die aktuelle Diskussion am Ende eine Schein-Debatte sein könnte, deutete sich zudem in Gladbach an. Tuchel hatte immerhin die Möglichkeit, Laimer, Serge Gnabry, Eric Maxim Choupo-Moting, Matthijs de Ligt und Mathys Tel, der dann auch den Last-Minute-Siegtreffer erzielte, einzuwechseln. «Das würde der ein oder andere Club auch gerne haben», sagte Bayern-Präsident Herbert Hainer am Sonntag im Sport1-«Doppelpass»: «Da hat man gesehen, wie viele erstklassige Spieler wir haben, die so ein Spiel auch drehen können.»

Von Carsten Lappe, dpa

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