Rudi Völlers Aushilfstätigkeit als Teamchef der Fußball-Nationalmannschaft soll eine einmalige Sache bleiben. (Urheber/Quelle/Verbreiter: David Inderlied/dpa)

Ein sichtlich erschöpfter und nach Ruhe lechzender Rudi Völler belohnte sich nach seinem magisch anmutenden Teamchef-Comeback selbst.

«Ich bin ehrlich, ich nehme mir eine kleine Auszeit», sagte der 63-Jährige nach dem 2:1 gegen Vize-Weltmeister Frankreich, das die Fans im Dortmunder Stadion und vor den TV-Geräten nach Monaten der deutschen Fußball-Tristesse glücklich stimmte und der Nationalmannschaft in Spiel eins nach Hansi Flick den ersehnten Umkehrschub für die Heim-EM 2024 verschaffte. 

Den Trip nach Berlin zur DFL-Feierstunde «60 Jahre Bundesliga» in Berlin stornierte Völler kurzerhand. «Normalerweise wäre ich gefahren, aber da wusste ich noch nicht, dass ich gegen Frankreich auf der Bank sitze», sagte Völler. Womöglich war es auch eine clevere Abwehrmaßnahme, um sich nicht der Gefahr auszusetzen, am Abend vielleicht von Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Liga-Gala aus nationalem Interesse zum Weitermachen überredet zu werden. Völler kann bekanntlich schlecht nein sagen.  

Priorität liegt auf Trainersuche

Er selbst sah sich schon am Ende des wunderbaren Dortmunder Abends wieder in der Rolle des DFB-Sportdirektors. Nach einer kurzen Erholungsphase will er mit DFB-Präsident Bernd Neuendorf und DFL-Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke den Flick-Nachfolger finden. Und der soll nicht dauerhaft Völler heißen. An seiner Einmal-Aushilfe auf der Trainerbank wollte er partout nicht rütteln. Bei der USA-Reise im Oktober mit den Prüfungen gegen die USA und Mexiko soll ein anderer als Chef am Spielfeldrand stehen. 

«Mein Wunsch wäre es, wenn wir bis zur nächsten Länderspiel-Periode den neuen Bundestrainer vorstellen könnten. Das wäre natürlich der Idealfall», sagte Völler. Ihm gefalle es oben auf der Tribüne doch besser, wie er auf Nachfrage bestätigte. «Ja! Ja! Es ändert ja auch nichts das Ergebnis», sagte er trotz des Sieges: «Für mich ist das ganz klar.»

Völler: «Gesamtpaket sehr anstrengend»

Für alle anderen DFB-Entscheider auch? Völler führte nachvollziehbare Gründe an, warum er den Neun-Monats-Kraftakt bis zur EM scheut. «Es war sehr anstrengend. Ich bin ehrlich, es war stressig die Tage», sagte er mit Blick auf die hektische Freistellung von Bundestrainer Flick, der Hauruck-Vorbereitung auf die Franzosen und 90 aufreibenden Minuten in der Coaching-Zone. Völler wirkte danach mindestens so abgekämpft wie seine Spieler.  

«Es geht nicht nur um das eine Spiel, das ist kein Problem, das kriege ich schon hin», sagte er werbend um Verständnis: «Das Gesamtpaket ist sehr anstrengend gewesen.» Das Votum von den Tribünen («Es gibt nur ein‘ Rudi Völler») rührte ihn. Völler, Hannes Wolf, Sandro Wagner – diesem Aushilfs-Trio hätte das Publikum bis zur EM spontan zugestimmt. 

Tatkräftig unterstützt vom Nachwuchs-Sportdirektor und U20-Auswahlcoach Wolf sowie Ex-Nationalspieler Wagner war Völler gelungen, den Negativlauf auf seine joviale Art zu durchbrechen. «Rudi hat eine Wahnsinnspräsenz. Und Hannes und Sandro haben uns gut eingestellt», befand anerkennend Torwart Marc-André ter Stegen, der nach dem Erweckungserlebnis von «Balsam für die Seele nach so kuriosen Tagen» sprach. 

Thomas Müller, der den Spielverlauf mit seinem frühen 1:0 gegen die ohne Kylian Mbappé aufgelaufenen Franzosen günstig gestaltet hatte und nach seinem 45. Länderspiel-Treffer gut gelaunt in seinen 34. Geburtstag hineinfeiern konnte, sprach von «einem emotionalen Befreiungsschlag» nach zuvor fünf sieglosen Spielen, Frust und Selbstzweifeln. «Wir haben schon einen schweren Klotz mit uns rumgeschleppt», gestand der Bayern-Angreifer.

DFB-Dino Völler, der ewige Müller und die Wiederbelebung der deutschen Tugenden – es war auch ein Abend für Fußball-Romantiker. Zehn Millionen sahen in der ARD zu, eine Topquote. Das Spiel war der Beleg dafür, dass es nicht viel braucht, um eine Mannschaft auf ein Ziel und eine kollektive Arbeitsmoral zu vereinen und dazu die dankbaren Fans wieder hinter sich zu vereinen. Kämpfen und siegen, garniert mit spielerischen Glanzpunkten bei den Toren von Müller und Leroy Sané. Klar ist aber auch: Die deutsche Mannschaft ist selbst nach einem Sieg gegen den EM-Topfavoriten nicht gleich wieder ein Mitfavorit beim Heimturnier.  

Völler nahm mit seinen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion mit dem Auto aus Polen von der U20-Auswahl angereisten Helfern Wolf und Wagner ein paar einfache Änderungen vor. Klares System, klare Aufgabenverteilung, klare Marschroute. Und vor allem energisch verteidigen. Das taten nicht nur die neu in die Startelf gerückten Jonathan Tah und Benjamin Henrichs vorbildlich. «Wir haben wunderbar gefightet», frohlockte Völler nach dem Schlusspfiff. 

Wer übernimmt die DFB-Elf?

Und nun? Völler will sich nicht zur Zugabe überreden lassen. DFB-Chef Neuendorf wünscht sich einen «durchsetzungsstarken» und «belastbaren» Trainer. Julian Nagelsmann? «Julian ist ein guter Trainer, eine gute Person auch», sagte Bayern-Angreifer Sané über seinen Ex-Vereinscoach: «Mal sehen, was passiert, ob er Bock drauf hat.» Nagelsmann wäre eine ziemlich teure Lösung für den klammen DFB, auch wenn die Bayern, bei denen der 36-Jährige noch auf der Gehaltsliste stehen, wohlwollendes Verhalten signalisiert haben.    

Stefan Kuntz, aktuell türkischer Nationaltrainer, könnte eine charmante und billigere Lösung sein, sozusagen als Völler-Ersatz im Trio mit Wolf und Wagner. Auch ein erster ausländischer Bundestrainer in der DFB-Historie wie der von den Ex-Weltmeistern Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm protegierte Niederländer Louis van Gaal bleibt eine denkbare Option. «Wichtig ist, dass es ein Deutsch sprechender Nationaltrainer ist. Und natürlich muss es auch ein Topmann sein. Das ist der wichtigste Trainerjob in unserem Land», sagte Völler. Er selbst füllte ihn für einen (?) Abend in idealer Weise aus.  

Von Klaus Bergmann, Jan Mies und Holger Schmidt, dpa

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