Schalke-Trainer Thomas Reis hat mit seinem Team 1:3 beim FC St. Pauli verloren. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Philipp Szyza/dpa)

Thomas Reis gab sich Mühe, nicht genervt zu wirken. Schon das 1:3 beim FC St. Pauli hatte dem Trainer des FC Schalke 04 zugesetzt.

Nun musste sich der 49-Jährige in der Pressekonferenz nach dem Zweitliga-Spiel in Hamburg Fragen zur mehr oder weniger offenen Kritik seines Abwehrchefs Timo Baumgartl stellen. Der 27-Jährige hatte nur Minuten zuvor im Interview mit dem Pay-TV-Sender Sky Zweifel an der Reis-Taktik geäußert.

Er habe zum einen das Interview nicht gesehen, entgegnete der Trainer. «Zum anderen bin ich der Erste, der sich an die eigene Nase fasst. Und das erwarte ich auch von meinen Spielern», fügte er mittelschwer gereizt hinzu.

U23-Training & Geldstrafe

Doch schon am Tag danach fiel die Reaktion der Vereinsführung und des Fußball-Lehrers auf die Baumgartl-Kritik deutlicher aus. Nach einem Gespräch mit Sportdirektor André Hechelmann und Reis muss der Innenverteidiger die kommende Trainingswoche mit der U23 verbringen und eine Geldstrafe zahlen. «Die sportliche Leitung und das Trainer-Team sind jederzeit zu einem konstruktiven und kritischen Dialog mit der Mannschaft bereit, das haben die vergangenen Wochen gezeigt. Voraussetzung dafür ist, dass dieser intern stattfindet – denn nur dann kann er lösungsorientiert sein», kommentierte Hechelmann. 

Baumgartl selbst zeigte sich einsichtig: «Was ich mit meinen Aussagen ausgelöst habe, war nicht meine Intention und darf einem Spieler mit meiner Erfahrung nicht passieren. Deshalb habe ich Thomas Reis und André Hechelmann um Entschuldigung gebeten und bin sehr froh, dass sie diese akzeptiert haben. Ich weiß, dass nun ich gefordert bin.»  

Baumgartl hatte die von seinem Trainer vorgegebene Taktik mit dem mannorientierten Spiel angezweifelt. «Teilweise laufen wir Männern hinterher, dann sind Positionen übereinander – da ist keine Kompaktheit da. Das ist unser großes Problem», kritisierte der frühere Bundesligaprofi des VfB Stuttgart und 1. FC Union Berlin. «Wir sind immer einen Schritt zu spät.» Die riskante Spielweise sei «die Philosophie vom Trainer, er gibt uns das vor und deswegen machen wir das auch als Mannschaft», ergänzte Baumgartl.

Schalke-Spiel eine «risikohafte Sache»

In der zweiten Halbzeit gegen den FC St. Pauli sei es ein Stück besser gewesen, «aber wir spielen natürlich auch mit dem Feuer. Wenn man einen Schritt zu spät kommt, ist es brutal zu verteidigen», sagte der Innenverteidiger und sprach von einer «risikohaften Sache». 

Reis gebe ihnen einen Plan mit, «aber es ist ein Stück weit auch schwer für uns, das so zu sehen, das so zu machen. Weil wir natürlich immer wieder in diese Situationen reinlaufen», sagte Baumgartl. Im Training arbeite man mit dem Coach an diesen Sachen «akribisch», aber 15 Gegentore nach sieben Spielen seien «Wahnsinn». 

Reis kann die Kritik nicht nachvollziehen, dass er zu mannorientiert spiele. Als Beleg sah er das Duell in Hamburg. «Sobald wir aktiv waren, sobald wir mehr mannorientiert gespielt haben, haben wir die Zweikämpfe gewonnen und Pauli am guten Spielaufbau gehindert», betonte er. Sobald die Spieler in Passivität gefallen seien, seien sie den Gegnern hinterhergelaufen.

Königsblauer Zusammenhalt fehlt

Der Disput zwischen Trainer und Abwehrorganisator zeugt von einem schwierigen Verhältnis zwischen Reis und Mannschaft. Nach dem Bundesliga-Abstieg war der personelle Umbruch enorm. Von einer Einheit sind die Gelsenkirchener weit entfernt. Die Unruhe wächst. 

Dabei wähnten sich die Schalker nach einem Remis (1:1 in Wiesbaden) und einem Sieg (4:3 gegen Magdeburg) auf dem richtigen Weg. Nach dem siebten Spieltag stehen sie nun wieder sechs Punkte hinter dem Aufstiegsrelegationsplatz und im Tabellenkeller. Nur der Letzte VfL Osnabrück (18 Gegentore) hatte vor den Sonntag-Spielen mehr Treffer kassiert als der Traditionsclub. 

Noch gibt Sportdirektor Hechelmann seinem Trainer Rückendeckung. Sicher ist: die Spiele am Freitag (18.30 Uhr/Sky) beim SC Paderborn und am 8. Oktober (13.30 Uhr/Sky) gegen Mitabsteiger Hertha BSC werden für den Verein und Reis richtungsweisend sein. «Nach oben brauchen wir nicht zu schauen», weiß der Trainer, «wir müssen kleinere Brötchen backen.» 

Claas Hennig und Jörg Soldwisch, dpa

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