Steht vor seinem 344. Bundesligaspiel: Schiedsrichter Felix Brych. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Tom Weller/dpa)

An sein Debüt mit drei aktuellen Bundesliga-Trainern als Spielern auf dem Rasen und Jürgen Klopp an der Seitenlinie denkt Spitzenschiedsrichter Felix Brych kurz vor seinem Rekord gerne zurück.

«Ich habe sehr positive Erinnerungen an mein erstes Spiel, denn es war immer mein Ziel, die Bundesliga zu erreichen. Ich war sehr stolz, dieses Zwischenziel erreicht zu haben», sagte der 48-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. «Es war der wirkliche Schritt in den Profifußball.» Brych stellt am Samstag (18.30 Uhr/Sky) im Spiel zwischen Eintracht Frankfurt und dem VfB Stuttgart mit seinem 344. Einsatz die Bundesliga-Bestmarke von Wolfgang Stark (54) ein. 

Als Kovac und Rose noch Spieler waren

Am 28. August 2004 beim 1:1 zwischen Hertha BSC und dem 1. FSV Mainz 05, als die heutigen Trainer Pal Dardai, Niko Kovac und Marco Rose sowie der langjährige Manager Fredi Bobic spielten, stand Brych da, wo er immer hin wollte: mitten auf dem Platz in der Bundesliga. Es war der Anfang einer großen Laufbahn, die ihn zu Welt- und Europameisterschaften, Olympischen Spielen, ins Champions-League-Finale und zu Weltschiedsrichterehren führte. «Ich war froh, als die Partie vorbei, auch wenn sie gut gelaufen ist», sagte Brych über sein Debüt, das der «Kicker» mit einer 2,5 bewertete.

Im Laufe der fast zwei Jahrzehnte veränderten sich der Fußball, die Hilfsmittel mit der «größten Zäsur» durch den Videoassistenten oder Regelauslegungen. Und für Brych auch der Blick auf sich selbst. «Die Bedeutung meiner Person auf dem Platz hat für mich nachgelassen. Wenn ich an mein erstes Spiel zurückdenke, das war für mich natürlich das Allergrößte. Ich war in der Bundesliga, im Fernsehen, habe mich sehr bedeutsam gefühlt», sagte der promovierte Jurist.

Karriere wird «nicht mehr ewig» weitergehen

«Ich sehe mich jetzt ganz entspannt als Teil der Bundesliga. Es geht für mich nicht mehr so sehr um meine Person, sondern darum, das Spiel für die Mannschaften gut zu leiten», sagte Brych. Zum sechsten Mal wurde er in diesem Jahr zum Schiedsrichter des Jahres in Deutschland gekürt – nach bald zwei Jahrzehnten wird die Karriere der Schiedsrichter-Instanz «nicht mehr ewig weitergehen».

Der Schritt auf die Bundesliga-Bühne war für Brych – wie auch für seine Kollegen – anders als der für die Fußball-Profis. Diese schnuppern meist erst als Joker rein; bei Schiedsrichtern muss ein Null-auf-Hundert-Start glücken. «Plötzlich steht man allein im Fokus, alle Fans schauen auf einen, alle Kameras – das ist für den Schiedsrichter eine andere Situation als für den Spieler», sagte Brych. «Wir Schiedsrichter stehen gleich voll im Mittelpunkt.»

Phantomtor, Rekordrot – und etwas Neues

Viel hat Brych in seiner Karriere erlebt. Unvergessen ist der ungeliebte Moment des Phantomtores von Stefan Kießling, der vor zehn Jahren als Leverkusener Stürmer einen Kopfballtreffer durch ein Loch im Außennetz erzielte. Einen Rekord stellte der Münchner bei der schnellsten Roten Karte nach dem Anpfiff auf, als er vor 13 Jahren den Kölner Kapitän Youssef Mohamad nach 87 Sekunden des Feldes verwies. Und trotz der großen Erfahrung erlebte der 48-Jährige kurz vor der kommenden Bestmarke ein Novum.

Beim 1:1 des FC Augsburg gegen die TSG 1899 Hoffenheim war zuletzt ein Feuerwerkskörper Richtung Platz geworfen worden und nahe der Eckfahne explodiert. «Es ist auch der Job eines Schiedsrichters, dass immer Dinge passieren, die man noch nicht erlebt hat», sagte Brych, der nie zuvor so einen lauten Knall in einem Stadion erlebt hatte.

Gerne Spielleiter bei Ramos, Ibrahimovic & Co.

Der Routinier behielt kühlen Kopf, bekam dafür nach dem Spiel Lob. «Das tut gut, dass erkannt wird, dass wir eine große Verantwortung haben, nicht nur für die Entscheidungen, sondern auch für die Sicherheit», sagte Brych, der seit 1999 DFB-Schiedsrichter ist. International, wo er die Arbeit mit Alpha-Tieren wie Sergio Ramos, oder Zlatan Ibrahimovic genoss, ist er nicht mehr im Einsatz. 

«Der Rekord hat für mich eine große Bedeutung. Wenn ich auf meine Karriere zurückblicke, bin ich am allermeisten stolz über diese Langlebigkeit», sagte Brych, der viele Spielerkarrieren überdauerte. «20 Jahre körperlich, mental und von der Leistung her auf diesem Niveau aufzutreten – das ist es, was meine Karriere ausmacht.»

Stark: Rekord wird von keinem anderen mehr erreicht

Das nahende Ende seiner sechseinhalb Jahre langen Rekordmarke nimmt Stark «entspannt». «Ich denke, das wird auch von keinem anderen mehr erreicht werden. Das war nie eine Sache für die Ewigkeit und nun ist es eben so weit. Man muss auch bedenken, dass ich den Rekord nie aufgestellt hätte, wenn Markus Merk nicht ein Jahr früher aufgehört hätte mit sechs Spielen weniger», sagte Stark, der am Montag 54 Jahre alt wurde, in einem DFB-Interview.

Im Gegensatz zu Fußball-Stars haben Schiedsrichter nicht die Chance auf Meisterschaften oder Pokale. Dagegen besteht die Gefahr, wegen Fehlentscheidungen in die Geschichte einzugehen. Umso schöner sind da Bestmarken. «Genau wie Leichtathleten oder Schwimmer Rekorde erzielen wollen, damit sie in die Annalen eingehen, ist das auch für den Schiedsrichter ein Ziel», sagte der 48-Jährige. «Insgesamt haben wir wenig Möglichkeiten in die Annalen einzugehen – was ja auch unser originäres Ziel sein soll: Wir sollen grundsätzlich möglichst wenig im Brennpunkt stehen.»

Von Christian Kunz, dpa

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