Bundestrainer Julian Nagelsmann ist gespannt auf die EM-Auslosung. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Christian Charisius/dpa)

Ein brisanter Doppel-Kracher gegen Italien und Holland? Oder eine Sommer-Revanche nach den Demütigungen gegen die Türkei und Österreich?

Julian Nagelsmann lassen diese drohenden EM-Szenarien vor der Gruppenauslosung äußerlich kalt. Der Bundestrainer hat ohnehin noch an den jüngsten November-Niederlagen zu knabbern. Also gibt sich der 36-Jährige vor der feierlichen Zeremonie in der Hamburger Elbphilharmonie am Samstag (18.00 Uhr/ZDF, RTL und MagentaTV) erstmal pragmatisch, aber auch fatalistisch. 

«Der Charme einer Auslosung ist, dass gelost wird. Man hat sein Glück also nicht in der eigenen Hand, leichte Gegner gibt es sowieso nicht», sagte Nagelsmann der Deutschen Presse-Agentur. «Dementsprechend lasse ich es auf mich zukommen und freue mich auf einen spannenden Abend.» Natürlich wird bei ihm wie auch bei DFB-Sportdirektor Rudi Völler der Puls nach oben gehen, wenn Fußball-Heroen der Vergangenheit im schönsten Konzertsaal-Ambiente das Turnier-Schicksal für das erhoffte Sommermärchen 2.0 auch für die Nationalmannschaft bestimmen. 

Wunsch: Gute Namen, aber schlagbar

«Da kommt schon ein bisschen das Gefühl auf, dass es bald losgeht», beschrieb Völler seine Stimmung vor der Auslosung im Bayerischen Rundfunk. «Am Ende ist es immer das gleiche Spiel, du willst Gegner haben, die schlagbar sind, aber trotzdem einen guten Namen haben. Das wird so sein. Auch im zweiten Topf werden Top-Gegner sein, das ist wie in der Champions League. Man muss schnell zu seiner Form finden und in die K.o.-Runde einziehen», sagte Völler. 

Zwei große Vorteile hat Nagelsmann als Gastgeber-Trainer. Nummer eins: Der eigene Turnierweg ist zumindest logistisch fixiert. Deutschland ist von der UEFA als Gruppenkopf A1 gesetzt. Die ersten drei Partien mit dem Eröffnungsspiel am 14. Juni in München und den folgenden Auftritten am 19. Juni in Stuttgart und 23. Juni in Frankfurt sind im Tableau schon eingetragen. Und – fast noch wichtiger – Nummer zwei: Frühe Duelle mit den in Topf 1 gesetzten Favoriten aus Frankreich, Spanien, England, Belgien und Portugal sind, wie auch Völler mit einem leichten Seufzer der Erleichterung konstatierte, nicht möglich. 

Viele Varianten möglich

An Varianten mangelt es im 24er-Mammutfeld nicht, attraktiven wie komplizierten aber auch verlockend leichten. Kommt es zur Konstellation mit den Niederlanden aus Topf 3, Italien aus Topf 4 und wahlweise Dänemark, Österreich oder der Türkei aus Topf zwei, wird schnell und laut der Begriff Hammergruppe aus der berühmten Konzerthalle klingen. Möglich ist aber auch eine Gruppe mit Albanien, Slowenien und dem Playoff-Sieger aus dem schwächsten Pfad C. Dort spielen Georgien, Griechenland, Kasachstan und Luxemburg im März noch um eines von drei nicht vergebenen EM-Tickets. 

Nagelsmann geht den Turnier-Countdown auf seine Weise an. «In der Vorbereitung beschäftige ich mich natürlich nicht mehr mit den Teams aus Lostopf eins, die für uns in der Gruppenphase nicht als Gegner infrage kommen», sagte er. «Im Idealfall müssen wir uns später, in der K.-o.-Phase, auch mit diesen beschäftigen, aber das ist noch ein weiter Weg.» Wie weit und schwer dieser Weg im Sommer sein kann, bekam der Bundestrainer beim 2:3 gegen die Türkei und 0:2 in Österreich jüngst schonungslos offenbart. 

Viel Arbeit für Nagelsmann

Der EM-Masterplan wird an die sportliche Realität angepasst und gleich nach der EM-Auslosung konkretisiert. «Hier und jetzt liegt viel Arbeit vor uns», sagte Nagelsmann. Geplant sind zunächst zwei Testpartien im März – dem Vernehmen nach gegen die Niederlande und in Frankreich. Sollten die Niederlande der Nagelsmann-Auswahl aber tatsächlich zugelost werden, müsste ein anderer Gegner gesucht werden. In der direkten Vorbereitung nach dem Saisonende in der Bundesliga stehen zwei weitere Testspiele an, dann schon mit dem im Mai benannten Turnier-Kader. 

«Wir werden die folgenden Monate nutzen, uns akribisch auf die Gruppengegner vorzubereiten», versprach Nagelsmann. Der Bundestrainer spürt, dass die Anfangseuphorie seiner jungen Amtszeit weg ist, ganz egal, welche Gegner am Samstag zugelost werden. «Dabei geht es für uns auch noch darum, die passenden Gegner für die EM-Vorbereitung zu finden und vor allem unser eigenes Spiel zu stabilisieren», sagte Nagelsmann.

Von Arne Richter und Jan Mies, dpa

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