Bayerns Sportvorstand Max Eberl nimmt nach der Heimniederlage gegen Borussia Dortmund die eigenen Profis in die Pflicht. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Sven Hoppe/dpa)

Die praktisch entthronten Münchner Serienchampions sehen den 99,99-Prozent-Meister Bayer Leverkusen nur noch mit dem einst von Uli Hoeneß legendär gemachten «Fernglas». Nach dem Clásico-Schrecken schickte der vor einem Jahr noch «schockverliebte» und mittlerweile schwer genervte Trainer Thomas Tuchel schonmal einen süßsauren Meister-«Glückwunsch» an den Rhein. Der 50-Jährige selbst musste darüber grübeln, wie er die Bayern-Stars nach dem blutleeren 0:2 gegen Borussia Dortmund für die Champions-League-Reise in einer Woche nach London wieder in Titelform bringen will.

Sportvorstand Max Eberl richtete nach dem nächsten unerklärlichen Münchner Leistungsverfall mahnende Worte an die enttäuschenden Profis. «Man kann natürlich den nächsten Trainer rauswerfen und sagen, wieder der nächste Trainer und wieder der nächste Trainer. Aber es sind schon die Jungs auf dem Platz, die da stehen und ihre Leistung bringen müssen», sagte der 50-Jährige. Während der verletzte Kapitän und Jung-Papa Manuel Neuer sich stolz mit Kinderwagen beim Osterspaziergang zeigte, hatte Eberl an den Feiertagen nicht frei.

Trainer- statt Eiersuche

«Ich habe tatsächlich Freunden von mir geschrieben: Ihr sucht am Sonntag Eier, und ich suche den Trainer. Die Arbeit geht weiter», sagte Eberl. Neben der Frage, wer der Nachfolger von Tuchel in der neuen Saison wird, konnte der Sportvorstand auch öffentliche Debatten vernehmen, ob nicht doch eine sofortige Trennung von Tuchel schon jetzt als Signal vor dem Viertelfinale gegen den FC Arsenal erfolgen sollte. Die Gunners demonstrierten beim 0:0 auswärts gegen Manchester City am Sonntag mit einer höchst disziplinierten Leistung, welche hohe Hürde sie am 9. und 17. April für den FC Bayern bei dessen letzter Titelchance sein können.

Mit einer Leistung wie gegen Dortmund brauchen die Münchner jedenfalls keine Gedanken an ein BVB-Wiedersehen im Champions-League-Finale am 1. Juni im Londoner Wembleystadion zu verschwenden. «Eigentlich hat es von der ersten bis letzten Minute an allem gefehlt. Ich hatte nie so das Gefühl, dass wir es unbedingt gewinnen wollen», fällte der schwer mitgenommene Joshua Kimmich ein alarmierendes Urteil. «Für jeden Einzelnen ist es positiver, wenn wir Spiele gewinnen. Wir haben ja noch die Champions League, wir haben eine Europameisterschaft am Ende der Saison.»

Eberl warnt: Müssen in Rückspiegel schauen

Bis dahin will Eberl zusammen mit Sportdirektor Christoph Freund nicht nur längst die Frage nach dem neuen Trainer beantwortet, sondern auch wichtige Kader-Entscheidungen in die Wege geleitet haben. «Wir müssen dafür sorgen, dass nächstes Jahr wieder das Wehklagen einsetzt, wenn die anderen uns in der Tabelle mit dem Fernglas anschauen», hatte vor mehr als anderthalb Jahrzehnten der damalige Manager Uli Hoeneß im Titelfrust gesagt. Auch in diesem Sommer sind personelle Änderungen am Luxus-Kader vonnöten. Das unterstrich die Pleite durch Tore von Karim Adeyemi und Julian Ryerson einmal mehr. 

«Dass die alle Qualität haben, das wissen wir und betonen es jedes Mal wieder. Aber du musst es auch im Spiel zeigen», forderte Eberl. Die Meisterschaft ist abgehakt. Vielmehr solle man «mal in den Rückspiegel schauen, was da passiert. Wir sollten unsere Hausaufgaben machen, unsere Spiele gewinnen und die Champions League sichern», sagte Eberl. Der Schwung von den Torpartys gegen die Abstiegskandidaten Mainz (8:1) und Darmstadt (5:2) ist verpufft.

Nagelsmann? De Zerbi? Rangnick? Oder gar Mourinho?

Der neue Sportvorstand ließ sich nicht locken, ob es beim FC Bayern zu einem spektakulären Comeback von Bundestrainer Julian Nagelsmann kommen könnte. «Ich weiß, dass das die ganze Öffentlichkeit interessiert und dass jeder teilhaben möchte an den Gedanken, die wir haben», sagte Eberl. Roberto De Zerbi vom englischen Erstligisten Brighton & Hove Albion oder Österreichs Nationalcoach Ralf Rangnick gelten als weitere Kandidaten.

«Ich will einen Trainer, der uns wieder weiter nach vorne bringt, der uns nimmt und mit uns weitergeht», sagte der gute Neuer-Vertreter Sven Ulreich. Tuchel sei aber auch ein «top, top Trainer» und habe «super Arbeit» geleistet. «Auch wenn es manchmal nach außen ein bisschen weniger so dargestellt wird», sagte Ulreich. Einmal mehr tat das am Wochenende Sky-Experte Dietmar Hamann, der die verrückte Variante eines Saison-Endspurts beim FC Bayern unter José Mourinho als Interimscoach aufwarf.

Kimmich und Ulreich warnen

«Wir müssen uns als Mannschaft hinterfragen, wie wir so eine Saison über uns ergehen lassen», sagte Ulreich. Kimmich fühlte sich beim Auftritt auf dem Platz an «ein Freundschaftsspiel» und nicht an den so prestigeträchtigen Klassiker erinnert. Und Tuchel war konsterniert. «Es war zu wenig von uns in den elementaren Basics, die du brauchst, um gut zu sein», haderte der 50-Jährige. «Ich dachte, dass wir da nicht mehr zurückgehen zu diesem Punkt. Da habe ich offensichtlich nicht recht gehabt.»

Von Christian Kunz und Manuel Schwarz, dpa

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