Bayern Münchens Thomas Müller hat schon das Champions-League-Spiel gegen den FC Arsenal im Blick. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Tom Weller/dpa)

Zumindest Thomas Müller sah sich schon wieder «im Kampfmodus». Die vage Hoffnung, dass der FC Bayern München im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League beim FC Arsenal am Dienstag (21.00 Uhr) das Gesicht zeigt, das er schon so oft in großen Spielen gezeigt hat, lebt beim 34-Jährigen. Gefühlt aber auch nur bei ihm.

Nach der bitterbösen 2:3-Blamage beim 1. FC Heidenheim ist die Stimmung in München endgültig am Boden. Die Generalprobe für den Königsklassen-Kracher wurde zum Fiasko. Trainer Thomas Tuchel soll nach Aussage der Clubbosse dennoch bleiben – und auf der internationalen Fußball-Bühne noch mal einen Turnaround schaffen. Fragt sich nur, wie?

Eberl bedient: «Sollten uns schämen»

Der deutsche Rekordmeister irrlichtert dem Saisonfinale entgegen. «Das ist nicht das Bayern München, das ich kannte», sagte Sportvorstand Max Eberl nach der zur Pause bei einer 2:0-Führung der Bayern nicht mehr für möglich gehaltenen Niederlage auf der Ostalb. Vor dem Spiel hatte der 50-Jährige auf der Tribüne noch freundlich Fotowünsche erfüllt. In den Interviews danach verteilte er verbale Backpfeifen. «Wir sollten uns alle ein Stück weit schämen», sagte Eberl. «Und wir sollten gucken, dass wir relativ schnell das Bayern-Wappen würdiger vertreten.»

Im Idealfall gleich in London. Es geht darum, die letzte verbliebene Titelchance der Saison am Leben zu halten. Und auch den eigenen Ruf wieder herzustellen. Zumindest in der nationalen Wahrnehmung. In der Bundesliga verbreiten die Bayern keine Angst mehr. Dass Aufsteiger Heidenheim nach dem 0:2-Rückstand am Samstag nicht darauf bedacht war, das Ergebnis im Rahmen zu halten, sondern zur zweiten Hälfte auf ein offensiveres System umstellte, ist bezeichnend – und für die Münchner alarmierend. «Wir sind maximal ins Risiko gegangen», sagte FCH-Trainer Frank Schmidt. Der Mut des Außenseiters wurde belohnt.

Arsenal und Havertz gut in Form

«Mittlerweile weiß der Gegner: Wenn wir ein Tor schießen, dann wackeln die», sagte Eberl über seine Bayern. Das war jahrelang anders. Doch in dieser Saison setzen die Münchner ihre eigenen Gesetze außer Kraft. Das Selbstverständnis, die Siegermentalität, der schier unerschütterliche Glaube an sich selbst – all das ist verloren gegangen. Stattdessen lassen sich die Bayern nach dem ersten Gegentreffer in einen wilden Schlagabtausch verwickeln und kassieren am Ende selbst den K.o. Jetzt womöglich auch noch in der Königsklasse?

Für Arsenal waren die Bayern lange Zeit ein Schreckgespenst. Alleine die vergangenen drei Duelle mit den Londonern gewannen sie jeweils mit 5:1. Doch reicht das, um den Premier-League-Titelanwärter einzuschüchtern? Zumal dieser «fußballerisch noch ein bisschen besser» sei als Heidenheim, wie Eberl feststellte. Das 3:0 bei Brighton & Hove Albion am Samstag, bei dem auch der deutsche Nationalspieler Kai Havertz ein Tor für Arsenal erzielte, unterstrich das. Statt der erhofften Trendwende könnte es den nächsten Tiefschlag geben.

Eberls Kritik zielt mehr auf die Spieler als den Trainer

Man werde alles geben, versicherte Routinier Müller. Womöglich kehren wichtige Akteure wie Manuel Neuer, Leroy Sané oder Kingsley Coman zurück ins Team. Tuchel werde definitiv auf der Bank sitzen, kündigte Eberl an. «Trainer haben wir schon gewechselt – die ganze Zeit», erklärte er. Tuchels Ansprache an die Mannschaft nach der Niederlage gegen Borussia Dortmund (0:2) und vor dem Spiel in Heidenheim sei «extrem emotional» gewesen, berichtete der Sportchef. «Thomas hat alles in diesen Besprechungsraum gelegt. Wenn du dann das zurückbekommst, ist es definitiv nicht das, was Thomas verdient hat.»

Es legt allerdings die Vermutung nahe, dass der – Stand jetzt – erst im Sommer scheidende Coach seine Spieler nicht mehr erreicht. Tuchel und die Bayern befinden sich auf einem Schlingerkurs. Der Trainer experimentiert und baut plötzlich die halbe Abwehr um. Seine teils leblos wirkende Mannschaft verliert nach dem ersten Rückschlag komplett ihre Linie.

Tuchel gehen die Erklärungen aus

Sie habe in der Phase direkt nach der Pause «alles aus der Hand gegeben, was wir uns vorher aufgebaut haben» und es «komplett eingestellt, Fußball zu spielen», bemängelte der zunehmend ratlos und frustriert wirkende Tuchel. Er hätte da schon «ein bisschen mehr Mannhaftigkeit» erwartet, sagte Eberl. «Alle fordern immer, alle wollen, aber tatsächlich auf dem Platz, wenn es drauf ankommt, dann ist das nicht so, wie man Bayern München kennt.»

So verspielen die Bayern womöglich auch noch mehr als eine Führung in Heidenheim. Den zweiten Platz in der Bundesliga etwa. Im krassesten Fall sogar noch die Champions-League-Teilnahme. «Ich würde zur Generalkritik – wenn überhaupt – erst ausholen, wenn wir wirklich nichts mehr haben, wofür es sich zu kämpfen lohnt», mahnte Offensivmann Müller mit Blick auf die bisherige Saison und die letzte Titelchance in der Königsklasse. In der muss nun gerettet werden, was noch zu retten ist.

Von Christoph Lother, dpa

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