Bayern-Coach Thomas Tuchel sprach am Samstag vom «schlechtesten Spiel» unter seiner Leitung. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Sven Hoppe/dpa)

Sprachlose Bosse, kleinlaute Spieler und ein verärgerter Trainer, der binnen weniger Tage seine Tonlage beim FC Bayern rasant wechselt. «Es fehlt uns der Sinn, dass es brennt! Es ist allerhöchste Zeit, dass wir als Mannschaft einen anderen Spirit zeigen! Es geht so dahin!», schimpfte Thomas Tuchel nach dem «schlechtesten Spiel» des eigentlich so begabten Münchner Fußball-Starensembles unter seiner Regie.

Nach dem freudlosen 1:1-Gerumpel gegen die TSG 1899 Hoffenheim war Tuchel nicht mehr «schockverliebt» in seine Mannschaft, sondern nur noch geschockt.

Tuchel wirkt nach dem Remis desillusioniert

«Es fühlt sich an wie eine Niederlage», stöhnte der 49-Jährige verstört und verärgert. Und es beschwichtigte ihn als «einsamer Rufer» im Münchner Frühjahrs-Reizklima auch nicht, dass Borussia Dortmund die nächste Vorlage des deutschen Serienmeisters im Bundesliga-Titelkampf nicht nutzen konnte. Der Zwei-Punkte-Vorsprung auf den BVB bleibt erhalten.

Tuchel wurde nach einer turbulenten Woche mit dem Kabinen-Clinch um Sadio Mané und Leroy Sané viel mehr geplagt von bösen Vorahnungen vor dem nötigen Fußball-Wunder gegen Manchester City. «Klar, jetzt können wir sagen, okay, das machen wir alles dann am Mittwoch», sagte Tuchel quasi zur vermeintlich einfachen Bestellung eines magischen Champions-League-Abends wie beim Lieferdienst. «Die Aufgabe ist definitiv noch mal schwer geworden», sagte er vielmehr zur Aufholjagd nach dem 0:3 im Viertelfinal-Hinspiel.

Tuchel saß am Samstagabend exakt drei Wochen nach seiner von rosigen Triple-Ambitionen getragenen Vorstellung wieder im Pressesaal der Allianz Arena und wirkte desillusioniert. «Das war ein großer Rückschritt», stöhnte er. Am Sonntag schrieb er unter einem wolkenverhangenen Münchner Himmel mit seinen Spielern um den wieder begnadigten Stürmerstar Mané beim öffentlichen Training fleißig Autogramme für die vielen Fans.

Eine Darbietung «ohne Energie, ohne Intensität»

Auch beim Münchner Publikum wollte Tuchel gegen Hoffenheim einen Wunder-Glauben entfachen. «Es war der Moment, einen draufzusetzen, das Spiel mit aller Macht zu gewinnen, aber auch eine Energie im Stadion zu entfachen, Feuer und Zuversicht zu wecken. Wir haben eine riesengroße Chance verpasst, uns und unsere Fans in eine Stimmung zu bringen, die nötig sein wird, um überhaupt dran zu glauben», sagte Tuchel.

Er hatte «Wut im Bauch» bei seinen Stars erwartet. Was er bekam, war eine Darbietung «ohne Energie, ohne Intensität», wie Abwehrspieler Matthijs de Ligt sagte. «Nach einer 3:0-Niederlage unter der Woche sollte man eigentlich meinen, dass man eine Reaktion zeigen möchte. Da kann ich mir das nicht erklären, dass wir so eine Leistung auf den Platz bringen», sagte Joshua Kimmich kleinlaut. Kapitän Thomas Müller sprach von einer Art Rückfall in den «Winterschlaf» nach dem Führungstor von Benjamin Pavard. «Wir waren geschockt von unserer eigenen Performance», gestand Müller. Hoffenheims Schlitzohr Andrej Kramaric bestrafte die Münchner Nachlässigkeiten mit seinem Freistoß zum 1:1.

Kahn: «Platz eins mit aller Kraft verteidigen»

Die mehr und mehr in Erklärungsnot kommenden Bosse Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic verließen die Allianz Arena ohne Wortmeldung. Die lieferte Vorstandschef Kahn am Morgen danach via Twitter: «Wieder nur ein Punkt und der nächste Rückschlag für uns! Ergebnisse und Leistungen wie diese können nicht unser Anspruch sein.» Platz eins werde man «mit aller Kraft verteidigen», fügte Kahn beschwörend hinzu.

Tuchels lange Mängelliste muss dafür aber schleunigst behoben werden. «Es war zu langsam, zu emotionslos, es war zu wenig verbissen», rügte er die matte Darbietung in Spiel Nummer fünf unter seiner Regie. Vorne wird der angeschlagene Eric Maxim Choupo-Moting, der auch am Sonntag nicht mit den Reservisten trainieren konnte, vermisst. Und hinten geht auch immer irgendetwas schief. «Es geht im Schwerpunkt um das Wie, gar nicht um das Was wir gespielt haben», monierte Tuchel. Die wichtigste Saisonphase läuft – und die Bayern verschleudern förmlich ihre Titeloptionen.

Tuchel hatte anderes vor, gerade auch mit Blick auf die zweite Kraftprobe mit Manchester City, das in der Premier League im Kraftsparmodus nach zwei Toren von Superstürmer Erling Haaland locker mit 3:1 gegen Leicester City gewann: «Der optimale Verlauf wäre gewesen: Wir haben eine top Mannschaftsleistung und haben einen Sieg, der auch unsere Zuschauer mitnimmt, emotionalisiert und den Glauben weckt.» Den Glauben an ein historisches Bayern-Comeback in der Königsklasse.

Klaus Bergmann und Christian Kunz, dpa

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