Der SC Freiburg steht nach dem Last-Minute-Sieg beim FC Bayern im Pokal-Halbfinale. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Sven Hoppe/dpa)

Nach dem Pokal-Schock und dem Ende alle Triple-Träume gratulierte Thomas Tuchel seinem Trainerkollegen Christian Streich und verschwand sofort in die Kabine.

Nationalspieler Jamal Musiala musste als Verursacher des entscheidenden Handelfmeters beim 1:2 (1:1) Viertelfinale gegen den jubelnden SC Freiburg noch auf dem Rasen getröstet werden. Tuchel bekam gleich in seinem zweiten Spiel mit dem neuen Club einen schweren Stimmungsdämpfer verpasst – ganz im Gegensatz zu den Freiburgern.

«Das sollte wohl irgendwie heute so sein, ich weiß aber nicht, ob es verdient war. Das spielt aber keine Rolle», sagte Tuchel bei Sky. Die «allerletzte Gier, der allerletzte Hunger» habe gefehlt. Thomas Müller sprach am Sky-Mikrofon von Ernüchterung und «brutaler Enttäuschung. Man steht jetzt da mit diesem Scherbenhaufen und weiß, für dieses Jahr ist es wieder vorbei im DFB-Pokal. Das kratzt natürlich am Ehrgefühl».

«Teamgeist macht das möglich»

Die Breisgauer tanzten euphorisiert um ihren Pokal-Helden Lucas Höler, der den Strafstoß in einer dramatischen Schlussphase verwandelt hatte (90.+5). Es war der erste Sieg überhaupt des Sport-Clubs in München. Den Führungstreffer durch Dayot Upamecano per Kopf und mit vehementem Körpereinsatz (19.) hatten die Freiburger vor 75.000 Zuschauern mit einem Traumtor von Nicolas Höfler (27.) gekontert. «Ich habe keine Stimme mehr», sagte Matthias Ginter bei Sky. «Dieser Teamgeist macht das möglich.»

Drei Tage nach der Machtdemonstration in der Bundesliga mit dem 4:2 gegen Borussia Dortmund folgte für Tuchel bei den Bayern der erste Titel-K.o. – die nächste schwere Prüfung steht in der kommenden Woche mit dem Viertelfinale in der Champions League gegen Manchester City an.

Kurz vor dem Anpfiff hatte Tuchel noch keinen Zweifel an den hohen Bayern-Zielen gelassen. «Es ist sensationell, in Berlin zu spielen, wir wollen das Ding gewinnen», sagte der Pokalsieger von 2017 mit Borussia Dortmund bei Sky. Seine Mannschaft tat sich in der Anfangsphase gegen die von Trainer Christian Streich gut eingestellten Freiburger aber etwas schwer. Bei der ersten Torannäherung setzte Leroy Sané einen Schuss aus der Distanz knapp vorbei (12.).

Nach dem zweiten Versuch des Nationalspielers (19.) half den Bayern die folgende Ecke: Kimmich brachte den Ball zum heranstürmenden Upamecano, der seinen Körper vehement einsetzte und traf. Tuchel klatschte energisch in die Hände. Die Freiburger protestierten erfolglos bei Schiedsrichter Harm Osmers, der die Szene nicht noch einmal überprüfte. Streich monierte das Aufstützen des französischen Vize-Weltmeisters am Spielfeldrand gestenreich.

Höfler gleicht aus

Von der vom Freiburger Trainer angekündigten «Flucht nach vorne» – denn das «Kaninchen vor der Schlange wäre falsch» – ließen sich die Gäste nur bedingt abbringen. Die Bayern verpassten es nach der Führung, Ruhe ins Spiel zu bringen. Nach mehreren Freiburger Pässen am Bayern-Strafraum klärte Kingsley Coman unzureichend. Der Ball sprang Höfler vor die Füße, der 33-Jährige überwand Yann Sommer im Bayern-Tor mit einem kraftvollen Distanzschuss. Auf der Ehrentribüne verfinsterten sich die Mienen der Bayern-Chefs um Oliver Kahn.

Anders als beim zeitweise berauschenden Tempofußball gegen den BVB am Wochenende fanden die Münchner auch nach dem Ausgleich nicht in ihre altbekannte Dominanz. Freiburg war zwischenzeitlich ebenbürtig, Lucas Höler tauchte kurz vor der Pause in vielversprechender Position vor Sommer auf, verpasste den Ball aber knapp (41.). Für die Münchner scheiterte Rekordpokalspieler und Kapitän Thomas Müller am Freiburger Abwehrchef Matthias Ginter, der auf der Linie klärte (45.+2).

«Bayern kontrolliert das Spiel, Freiburg verteidigt leidenschaftlich», urteilte Bundestrainer Hansi Flick bei Sky in der Halbzeit. Nach dem Wiederanpfiff erhöhten die Bayern den Druck auf das Freiburger Tor, die Breisgauer schafften es seltener, für Entlastung zu sorgen. Doch den Bayern fehlten die Tore. Tuchel reagierte nach gut einer Stunde und brachte Jamal Musiala und Serge Gnabry in die Partie, kurz zuvor hatte Benjamin Pavard per Kopf nur die Latte getroffen (62.).

In der Schlussphase spielte sich die Partie fast ausschließlich in der Freiburger Hälfte ab, auch Sadio Mané wurde von Tuchel eingewechselt (79.). Große Torchancen erarbeiteten sich die Bayern aber kaum noch. Musiala verantwortete den Hand-Elfmeter, der von den Bayern-Profis heftig angezweifelt wurde.

Christian Kunz, Christian Johner und Jan Mies, dpa

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