Leverkusens Trainer Xabi Alonso trifft am kommenden Spieltag zum zweiten Mal auf seinen Ex-Club. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Bernd Thissen/dpa)

Kampfansagen in Richtung München hatte man von Bayer Leverkusen eigentlich gar nicht erwartet. Doch nach dem besten Saisonstart in der 45-jährigen Bundesliga-Geschichte von Bayer wären falsche Bescheidenheit und übertriebenes Understatement auch unglaubwürdig gewesen.

«Wir haben keine Angst und fahren nicht nach München, um nur zu verteidigen», sagte der neue Anführer Granit Xhaka nach dem beeindruckenden 5:1 gegen Aufsteiger Darmstadt 98: «Wir wollen auch gegen so eine starke Mannschaft was holen, um zu sehen, wo wir wirklich stehen.»

Eine solche Standort-Bestimmung war das Spiel beim Rekordmeister für die Werkself in den vergangenen Jahren oft – meist mit ernüchterndem Ausgang. «Diesmal habe ich aber das Gefühl, dass wir sehr gefestigt sind», sagte der in die Nationalmannschaft zurückgekehrte Jonathan Tah, der mit Bayer achtmal in München antrat und sechsmal verlor: «Die Mannschaft hat sich verändert. Sie hat mehr Erfahrung. Wir haben viel Selbstvertrauen, und genau das dürfen wir haben. Deshalb haben wir natürlich den Anspruch, auch dort zu gewinnen.»

Tuchel: «Wird auf jeden Fall ein Brocken»

Nimmt man die ersten drei Spiele, so wirken die schon im Sommer von vielen als Geheimtipp gehandelten Leverkusener aktuell tatsächlich stabiler, offensiv wuchtiger und selbstbewusster als der Platzhirsch aus München. Dass sie ausgerechnet vor dem Topspiel der beiden Neun-Punkte-Starter direkt nach der Länderspielpause am 15. September in München an den Bayern vorbeizogen, hat deshalb durchaus Symbolcharakter. Und so scheint auch die größere Ehrfurcht aktuell bei den Münchnern zu liegen, wo Trainer Thomas Tuchel nach dem 2:1 in Mönchengladbach sagte: «Das wird auf jeden Fall ein Brocken.»

Bayer-Trainer Xabi Alonso glaubt derweil an einen guten Zeitpunkt für das Kräftemessen mit dem Serienchampion. «Wir gehen da in einem guten Moment hin nach drei Siegen und drei guten Spielen», sagte der 41-Jährige, der von 2014 bis 2017 selbst für den Rekordmeister gespielt hatte. «Das wird eine große Herausforderung in der Allianz Arena», sagte Alonso: «Aber wir haben eine gute Energie und viel Selbstvertrauen. Wir wollen so weitermachen und werden sehen, was passiert.»

Erst einmal traf Alonso, den viele auf lange Sicht auch als Bayern-Coach erwarten, als Trainer auf seinen Ex-Club. Und da sorgte er für mächtig Theater in München. Am 19. März besiegte er die Bayern mit Leverkusen mit 2:1. Es war das letzte Spiel von Julian Nagelsmann als Bayern-Coach.

Boniface: «Dem Trainer gebührt das größte Lob»

Alonso leistet derweil weiter überragende Aufbauarbeit bei Bayer. Nachdem Sportchef Simon Rolfes im Sommer in Spielern wie Xhaka, Nationalspieler Jonas Hofmann oder dem schon viermal erfolgreichen Sturm-Tank Victor Boniface scheinbar genau die fehlenden Puzzleteile gefunden hat, hat der Coach daraus in kürzester Zeit ein funktionierendes Team gebaut. «Dem Trainer gebührt das größte Lob», sagte Boniface: «Es fühlt sich an, als würden wir schon ewig zusammenspielen.» 

Die Konkurrenz zeigt sich entsprechend beeindruckt. Darmstadts Trainer Torsten Lieberknecht lobte sein Team trotz der deutlichen Niederlage sogar eifrig und erklärte: «Es war eben einfach der falsche Gegner zum falschen Zeitpunkt.»

Die Bayern kommen wiederum für Bayer gerade recht, da sind sich viele sicher. Auch wenn erst die Länderspiel-Pause folgt. «Ich kann den Kalender nicht ändern», sagte Alonso. Grundsätzlich sei es aber eher eine unglückliche Ansetzung für beide Teams. «Wir werden einige Spieler erst Mittwoch zurückbekommen, das Spiel ist Freitag. Und für die Bayern ist es dasselbe», sagte er. Kollege Tuchel sieht das naturgemäß ähnlich.

Natürlich haben sie im Rheinland auch Respekt vor den Münchnern. «Bayern ist immer noch Bayern. Und sie haben in Harry Kane auch noch einen bombastischen Stürmer geholt», sagte Xhaka, der mit dem FC Basel in der Champions League einst 0:7 in München unterging. Und dann bremste er selbst sein Loblied auf den kommenden Gegner. «Ich will weiß Gott nicht so viel über die Bayern reden. Wir haben souverän neun Punkte geholt und können befreit aufspielen.» Das ist es, das neue Leverkusener Selbstverständnis.

Von Holger Schmidt, dpa

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